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Zum Thema Erbrecht
- Auslegung eines Testaments: Oberlandesgericht sieht Alleinerbenstellung statt ledigliche Teilungsanordnung
- Grundbuchamt liegt falsch: Bloße Zweifel an Erbfolge reichen für Vorlage eines neuen Erbscheins nicht aus
- Nachlasspfleger ohne Zahlungsansprüche: Rentenversicherung mit festgelegten Bezugsberechtigten gehört nicht zum Erblasservermögen
- Vertretungsbefugnis für Rückgabeverlangen: Über die Rücknahme eines Ehe- und Erbvertrags aus amtlicher Verwahrung
- Vorerbe verkauft Grundstück: Über die Anhörung minderjähriger Nacherben beim Grundbuchamt
Ohne Rechtsbeistand verfasste Testamente bergen bei Verzicht auf professionelle Hilfe oft die Gefahr, durch Uneindeutigkeit erst von Gerichten eine verbindliche Interpretation zu erfahren. Im Folgenden war es in einem Erbrechtsstreit am Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG), zu entscheiden, ob eine testamentarisch bedachte Nichte zur Alleinerbin oder lediglich zur Miterbin geworden ist.
Die Erblasserin errichtete ein handschriftliches Testament, in dem sie ihre Nichte zur Erbin "von dem Gebäude" einsetzte. Des Weiteren verfügte die Erblasserin: "Alles steht ihr zur Verfügung. Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab kommt." Abschließend enthielt die Verfügung eine Formulierung, dass eine Schwester sowie deren Tochter einen Anteil erhalten sollen. In der Folge entstand ein Streit darüber, ob mit dieser testamentarischen Verfügung die Nichte zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Die Schwester sowie deren Tochter hatten zunächst erfolgreich einen Teilerbschein beantragt, da sie der Ansicht waren, dass alle drei Bedachten als Erben eingesetzt wurden. Dabei sei die Zuwendung des Gebäudes an die Nichte lediglich als eine Teilungsanordnung zu verstehen.
Dieser Testamentsauslegung trat das OLG aber entgegen und stellte fest, dass die von der Erblasserin getroffene Verfügung nur als Einsetzung der Nichte als Alleinerbin verstanden werden könne. Hierfür sprach, dass es sich bei der Zuwendung des Gebäudes um den wesentlichen Bestandteil des Nachlasses gehandelt hat. Aus der Formulierung "Alles steht ihr zur Verfügung" sei als eine Erweiterung der Erbenstellung zu entnehmen. Auch die weitere Formulierung "Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab kommt" müsse losgelöst von der Immobilie betrachtet werden, da eine Immobilie schließlich grundsätzlich nicht teilbar sei. Die Befugnis, darüber zu entscheiden, ob und welche Zuwendungen die übrigen Beteiligten aus dem Nachlass erhalten sollten, hat die Erblasserin auf die Alleinerbin übertragen. In der Folge des Beschlusses wurde die Angelegenheit dennoch an das Nachlassgericht zurückverwiesen, da im Rahmen des Erbscheinsverfahrens versäumt wurde, die notwendige eidesstattliche Versicherung der Erbin einzuholen.
Hinweis: Die Erteilung einer Generalvollmacht, die über den Tod des Erblassers hinaus Geltung haben soll, steht einer Auslegung nicht entgegen, dass diese Person zugleich auch Alleinerbe werden soll. Die Vollmacht dient häufig der Vereinfachung der rechtlichen Abwicklung.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.09.2023 - 11 W 42/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 11/2023)
Es gilt der erbrechtliche Grundsatz, dass Eintragungen im Grundbuch so lange als richtig anzusehen sind, bis ein Nachweis erbracht ist, dass das Grundbuch unrichtig geworden ist. Diesem Leitgedanken ist auch das Oberlandesgericht München (OLG) gefolgt und hat bloße Zweifel an der Richtigkeit einer Erbenstellung als ungenügend angesehen.
Eine Grundstückseigentümerin verstarb im Juni 2022. Sie hatte einen der Beteiligten des Verfahrens zum Alleinerben eingesetzt und zudem eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Mit notariellem Vertrag übertrug der Alleinerbe ein im Nachlass befindliches Grundstück in Erfüllung einer erbrechtlichen Anordnung an die Testamentsvollstreckerin. Das Nachlassgericht erließ daraufhin eine einstweilige Anordnung und forderte den Alleinerben zur Rückgabe der erteilten Ausfertigung des Erbscheins und die Testamentsvollstreckerin zur Herausgabe des Testamentsvollstreckerzeugnisses auf. Es hatte Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins. Kurz darauf verkaufte die mittlerweile eingetragene Eigentümerin das Grundstück. Das Grundbuchamt verlangte von dem beurkundenden Notar, einen neuen Erbschein als Nachweis der Alleinerbschaft nach der verstorbenen Erblasserin beizubringen. Es war der Ansicht, dass wegen der Anordnung der Testamentsvollstreckung der Alleinerbe nicht über das Grundstück hätte verfügen dürfen und aufgrund der einstweiligen Anordnung ein neuer Erbschein vorgelegt werden müsse.
Dieser Ansicht hat sich das OLG im Ergebnis jedoch nicht angeschlossen. Ist im Grundbuch für jemanden ein Recht eingetragen, wird gesetzlich vermutet, dass ihm dieses Recht auch zustehe. Zwar löst die einstweilige Anordnung zur Rückgabe des Erbscheins entsprechende Zweifel an der Richtigkeit der Erbenstellung aus - bloße Zweifel an der Richtigkeit reichen aber nicht aus. Im Übrigen habe die Testamentsvollstreckerin in die Übereignung auch eingewilligt, was ihr hier auch zustand, da die Übertragung in Erfüllung einer erbrechtlichen Verbindlichkeit erfolgte.
Hinweis: Ergibt sich, dass ein erteilter Erbschein unrichtig ist, hat ihn das Nachlassgericht einzuziehen. Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 27.09.2023 - 34 Wx 240/23 e
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 11/2023)
Ob ein Nachlasspfleger Zahlungsansprüche auf eine Todesfallleistung aus einer Rentenversicherung gegen den Versicherungsträger geltend machen darf, musste das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) klären.
Die im November 2020 verstorbene Erblasserin hatte bei einer Versicherungsgesellschaft eine Rentenversicherung abgeschlossen. Bezugsberechtigt im Todesfall sollten die gesetzlichen Erben der Erblasserin sein. Da aber gesetzliche Erben nach dem Tod der Erblasserin nicht bekannt waren, setzte das zuständige Nachlassgericht einen Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis "Ermittlung der Erben" und "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses" ein. Der Nachlasspfleger verlangte von der Versicherungsgesellschaft die Zahlung der Todesfallleistung und widerrief vorsorglich eine etwaige Bezugsberechtigung. Der Versicherer verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Forderungen gehören nicht zur Erbmasse. Die Bezugsberechtigung könne nach dem Tod der Erblasserin nicht mehr widerrufen werden.
Nachdem das zuständige Landgericht dem Antrag des Nachlasspflegers zunächst stattgegeben hatte, wurde die Entscheidung durch das OLG letztinstanzlich aufgehoben. Dieses war der Ansicht, dass die Versicherungsgesellschaft allein dem festgelegten Bezugsberechtigten zur Auszahlung der Versicherungsleistung verpflichtet war. Ob es sich hierbei tatsächlich um die endgültigen Erben handelt, stand zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht fest, da diese bislang nicht ermittelt werden konnten. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung auf der Grundlage einer Bezugsberechtigung gehört nicht zum Erblasservermögen, sondern steht mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten - jedenfalls dann, wenn dieser klar zu ermitteln ist. Wird ein Erbe nicht namentlich benannt, muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden, ob die Versicherungsleistung in den Nachlass fallen oder dem Begünstigten unmittelbar zugewendet werden soll. Abzustellen ist darauf, was der Erblasser zum einen wollte, zum anderen aber auch, wie der Versicherer die Erklärung des Erblassers verstehen durfte. In der Regel ist dabei davon auszugehen, dass derartige Zuwendungen am Nachlass vorbei erfolgen sollen - also gerade nicht Bestandteil des Nachlasses sind. Von einem solchen Bezugsrecht auf die Todesfallleistung ging das OLG aus. Mit dem Tod der Versicherungsnehmerin konnte dieses Bezugsrecht auch nicht mehr widerrufen werden.
Hinweis: Die Einräumung eines Bezugsrechts auf eine Todesfallleistung beinhaltet gleichzeitig auch einen Auftrag des Versicherungsnehmers an den Versicherer, dem Begünstigten nach Eintritt des Versicherungsfalls das noch zu Lebzeiten abgegebene Schenkungsangebot des Versicherungsnehmers zu überbringen.
Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.08.2023 - 1 U 12/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 11/2023)
Testamente und Erbverträge können widerrufen werden, indem sie aus einer amtlichen Verwahrung zurückgegeben werden. Für Erbverträge gilt dies in jedem Fall, sofern diese nur Verfügungen von Todes wegen enthalten. Problematisch wird es, wenn neben dem Erbvertrag auch andere zusätzliche Rechtsgeschäfte, beispielsweise ein Ehevertrag, abgeschlossen wurden. Ein solcher Vertrag war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Die Eheleute hatten im Jahr 2011 einen Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen. Diese Urkunde wurde in amtliche Verwahrung genommen. Im Jahr 2018 wurde mit einer weiteren notariellen Urkunde ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin erklärten die Beteiligten den Widerruf des Erbvertrags aus dem Jahr 2011; bezüglich des Ehevertrags sollte es bei der bisherigen Regelung verbleiben. Auch dieses Testament wurde in amtliche Verwahrung gegeben. Im Jahr 2022 erklärten die Beteiligten, nachdem schon vorherige Herausgabeverlangen beim Gericht gescheitert waren, die rückwirkende Aufhebung der geschlossenen Verträge. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten verlangten sie die Rückgabe sowohl des Erbvertrags aus dem Jahr 2011 als auch die Rückgabe des Testaments aus dem Jahr 2018.
Das Nachlassgericht hat beide Herausgabeverlangen zurückgewiesen. Bezüglich beider Urkunden war das Nachlassgericht der Ansicht, dass es sich um kombinierte Ehe- und Erbverträge handele, deren Herausgabe auch nicht durch einen Verfahrensbevollmächtigten verlangt werden könne.
Dem widersprach das OLG - zumindest teilweise. Zunächst stellte es klar, dass das Herausgabeverlangen auch durch einen Verfahrensbevollmächtigten erklärt werden kann. Richtig sei zwar, dass aufgrund der Wirkung der Rücknahme die Rückgabe der letztwilligen Verfügungen nur an die Erblasser persönlich erfolgen könne. Dies schließe aber nicht aus, dass das Rückgabeverlangen auch von einem Vertreter gestellt werden könne.
Allerdings wies das OLG das Herausgabeverlangen bezüglich des Notarvertrags aus dem Jahr 2011 deshalb zurück, weil es sich um einen kombinierten Ehe- und Erbvertrag handele, für den eine Herausgabe aus der amtlichen Verwahrung ausgeschlossen sei. Bei der notariellen Urkunde aus dem Jahr 2018 handelt es sich nach Ansicht des Gerichts nicht um einen kombinierten Erbvertrag, so dass bezüglich dieser Urkunde das Herausgabeverlangen gerechtfertigt war.
Hinweis: Für den Erblasser besteht die Möglichkeit, die Gewährung einer Einsichtnahme in die Urkunde beim Nachlassgericht zu beantragen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.09.2023 - 21 W 63/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 11/2023)
Der Eigentümer eines Grundstücks hat dieses durch eine Erbschaft von seiner Mutter erhalten, wobei Nacherbfolge und Ersatznacherbfolge im Grundbuch vermerkt sind. Die Nacherben sind seine minderjährigen Kinder. Er verkaufte das Grundstück 2023. Die Käufer beantragten die Auflassung und Löschung des Nacherbenvermerks. Das Grundbuchamt sah jedoch ein Problem bei der Berichtigung des Grundbuchs - nur: warum? Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen (OLG) war mit der Klärung beauftragt.
Für die Löschung des Nacherbenvermerks bedarf es einer Feststellung, dass das Grundbuch unrichtig geworden ist. Das wäre der Fall, sobald das Grundstück nicht mehr im Nachlass vorhanden ist, der Verkäufer dieses also wirksam verkaufen konnte. Der befreite Vorerbe darf auch ohne Zustimmung des Nacherben eine Verfügung über den Nachlassgegenstand treffen. Dies gilt dann nicht, wenn die Verfügung (teilweise) unentgeltlich erfolgte, also keine oder eine zu geringe Gegenleistung der Übertragung gegenüberstand. Das Grundbuchamt plante deshalb, die minderjährigen Nacherben anzuhören, und setzte eine Frist zur "Einleitung der erforderlichen Maßnahmen beim zuständigen Familiengericht" zur Bestellung eines Ergänzungspflegers für die minderjährigen Kinder. Das Gericht erklärte, dass die Eintragung erst nach Anhörung der minderjährigen Nacherben erfolgen könne.
Diese Einschätzung teilte das OLG in dieser Form nicht. In dem vorliegenden Fall hatte das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen, die nach Ansicht des Gerichts unzulässig war. Zum einen stand nicht fest, dass das Grundbuch unrichtig war, zum anderen wurden auch keine behebbaren Mängel in der Verfügung angesprochen. Eine Zwischenverfügung sollte nur erlassen werden, wenn nach Beseitigung des Hindernisses dem Antrag entsprochen werden kann. Um die Löschung des Nacherbenvermerks zu rechtfertigen, hätte nachgewiesen werden müssen, dass die Verfügung des Vorerben nicht teilweise unentgeltlich war. Das Grundbuchamt konnte diesen Beweis nur durch öffentliche Urkunden annehmen, da es keine eigenen Nachforschungen durchführen durfte. Allerdings darf es im Wege einer freien Beweiswürdigung den Vortrag der Beteiligten beurteilen, was bislang nicht erfolgt war.
Das OLG hat das Verfahren an das Grundbuchamt zurückverwiesen und auf Folgendes hingewiesen: Für das weitere Verfahren werde empfohlen, dass das Grundbuchamt die Informationen der Beteiligten überprüfen und die Möglichkeit der Anhörung der sorgeberechtigten Kindesmutter zur Gewährung rechtlichen Gehörs prüfen sollte. Wenn die Kindesmutter die Tatsachen bestätigt, die die Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben belegen, wäre keine Zustimmung oder Genehmigung über das Familiengericht erforderlich und die Löschung des Nacherbenvermerks könnte erfolgen. Andernfalls müssten weitere Schritte unternommen werden.
Hinweis: Bei einem Rechtsgeschäft zwischen dem Vorerben und einem unbeteiligten Dritten kann in der Regel von einer entgeltlichen Verfügung ausgegangen werden - es sei denn, eine Schenkung ist offensichtlich.
Quelle: Hanseatisches OLG in Bremen, Beschl. v. 06.09.2023 - 3 W 14/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 11/2023)