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Zum Thema Erbrecht
- Anspruch von Nacherben: Wie wird der Streitwert einer Auskunftsklage ermittelt?
- Bargeldlose Zahlungszeiten: Barvermögen ist das, was man kurzfristig in Bargeld umwandeln oder stattdessen nutzen kann
- Mindestvoraussetzungen erfüllt: Eigenhändige Abfassung und Unterschrift machen aus Kneipenblock ein gültiges Testament
- Späteres Testament: Wenn die Verfügung von Todes wegen nur zum "vorletzten Willen" wird
- Stellung und Einfluss missbraucht: Testament zugunsten der Berufsbetreuerin eindeutig sittenwidrig
Rechtsstreitigkeiten im Erbrecht sind häufig teuer, weshalb die Frage nach der Höhe eines Streitwerts als Grundlage der Kostenbemessung von großer Bedeutung ist. In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg ging es um den Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben.
Der Erblasser hatte zusammen mit seiner Ehefrau ein notarielles Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben und die drei Kinder zu Nacherben zu je 1/3 eingesetzt haben. Nach dem Tod des Erblassers nahm ein Sohn die Mutter auf Auskunft über die zum Nachlass gehörenden Erbschaftsgegenstände in Anspruch. Mit Beendigung des Rechtsstreits setzte das zuständige Landgericht (LG) auf Basis der Angaben in der Klageschrift den Streitwert auf 20.000 EUR fest. Gegen diese Wertfestsetzung wandte sich die Mutter mit der Begründung, dass der Streitwert einer Auskunftsklage mit 1/10 des Nachlasswerts zu bewerten und darüber hinaus auch die Erbquote des Klägers von 1/3 bezogen auf den Nachlass zu berücksichtigen sei. Dies führe zu einem Streitwert zwischen 5.450 EUR und 13.645 EUR. Das LG hat den Streitwert in der Folge auf 24.526 EUR festgesetzt und dies damit begründet, der Betrag entspreche 15 % des gesamten Nachlasswerts. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter und Vorerbin war im Ergebnis erfolglos.
Im Rahmen einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben bemisst sich der Gebührenstreitwert nach dem wirtschaftlichen Interesse des Nacherben an der begehrten Auskunft. Dieser bestimmt sich in der Regel nach einem Bruchteil des Nachlasswerts zwischen 1/10 und 1/4 der Hauptforderung. Die Erbquote des Nacherben sei nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Der Auskunftsanspruch dient dem berechtigten Interesse des Nacherben, Kenntnis über alle zur Erbschaft gehörende Gegenstände zu erhalten, um auch prüfen zu können, ob gegebenenfalls weitere Informations-, Kontroll- oder Sicherungsrechte bestehen. Diese Rechte können auch im Fall einer aus mehreren Nacherben bestehenden Erbengemeinschaft von jedem einzelnen Erben allein geltend gemacht werden, weshalb die Ansprüche im Regelfall den gesamten Nachlass umfassen. Daher sei die Bemessung des Streitwerts anhand eines Bruchteils von 15 % bezogen auf den gesamten Nachlass nicht zu beanstanden.
Hinweis: Bei einer Auskunftsklage eines Pflichtteilsberechtigten wird bezüglich des Streitwerts auf den Bruchteil des späteren Leistungsanspruchs abgestellt, weshalb die Bestimmung der Pflichtteilsquote dort maßgebliches Kriterium ist.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.01.2024 - 3 W 113/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) stritten die Parteien um die Erfüllung eines Vermächtnisses. Die Kernfrage war hierbei, was in den heutigen Zeiten eigentlich unter dem Begriff "Barvermögen" zu verstehen sei. Das, was wir in den Hosen- und Handtaschen bereits mit uns herumtragen, oder auch das, was wir kurzfristig dahin verfrachten könnten? Lesen Sie hier die Antwort.
Der Erblasser hatte in einem notariellen Testament seine Kinder zu Erben eingesetzt, nachdem er bereits eine Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf eine Tochter übertragen hatte. Zudem hatte der Erblasser die Erben mit einem Vermächtnis zugunsten der Tochter beschwert, dass bei Eintritt des Erbfalls das vorhandene Barvermögen zu 1/3 Anteil an die Tochter ausgezahlt werden solle. Zum Zeitpunkt des Erbfalls verfügte der Erblasser über ein Kontovermögen in Höhe von etwa 152.000 EUR, Genossenschaftsanteile im Wert von 3.000 EUR, ein Depotvermögen über etwa 34.000 EUR sowie ein Barvermögen in Höhe von etwa 2.000 EUR. Die Tochter war der Ansicht, dass unter dem Begriff "Barvermögen" alle liquiden Mittel zu verstehen seien - insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld. Die Erben hingegen waren der Ansicht, dass mit Barvermögen lediglich das vorhandene Bargeld gemeint sein könnte.
Nach Ansicht des OLG ist unter dem Begriff des Barvermögens in Zeiten des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs das Bargeld im engeren Sinne genauso zu verstehen, wie es beispielsweise bei Banken sofort verfügbar ist. Der Begriff des Bargelds umfasse heutzutage das gesamte Geld, das sofort verfügbar ist - also auch über eine Kartenzahlung. Dies gelte aber nicht für Wertpapiere. Insofern hatte die Klägerin Anspruch auf eine anteilige Zahlung aus dem Kontovermögen sowie dem aufgefundenen Bargeld.
Hinweis: Das Gericht kam durch eine Auslegung des Testaments zu dem vorgenannten Ergebnis. Lang andauernde Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Unwägbarkeiten bei der Auslegung von Verfügungen können dadurch vermieden werden, dass die Parteien einen Auslegungsvertrag abschließen.
Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 20.12.2023 - 3 U 8/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Ein Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Allein der Umstand, dass sich das Testament auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um ein Testament handeln könne. Das hat das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) festgestellt.
Der Erblasser, der 2022 ledig und kinderlos verstarb, betrieb unter anderem eine Gastronomie und legte dort seiner Lebensgefährtin einen Brauereizettel vor, auf dem er überlicherweise Gastronomiebestellungen notierte. Dort hieß es nun aber, dass die Lebensgefährtin "alles kriegt". Darunter folgten Datum und Unterschrift des Erblassers. Die gesetzlichen Erben - Kinder der vorverstorbenen Schwester des Erblassers - waren nun der Ansicht, dass es sich nicht um ein Testament handele, da nicht erkennbar sei, dass der Zettel mit dem Willen, ein Testament zu errichten, verfasst worden sei. Außerdem hatten sie Zweifel daran, dass der Text von dem Erblasser selbst erstellt war. Das Nachlassgericht hatte zunächst noch die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Lebensgefährtin abgelehnt, da nicht sicher festgestellt werden könne, dass das Schriftstück mit Testierwillen errichtet worden sei.
Dieser Einschätzung hat sich das OLG nach Durchführung einer Beweisaufnahme nicht angeschlossen. Das Gericht kam zu der Einschätzung, dass die Mindestvoraussetzungen für ein wirksames Testament - die eigenhändige Abfassung und die Unterschrift - erfüllt waren. Hinweise darauf, dass das Schriftstück von einer anderen Person erstellt worden sei, konnte das OLG nicht feststellen. Darüber hinaus war nach Einschätzung des Gerichts das Schriftstück auch mit einem entsprechenden Testierwillen errichtet worden. Allein der Umstand, dass das formgültige Schriftstück auf einer ungewöhnlichen Unterlage errichtet wurde, bedeutet nicht zwingend, dass es sich lediglich um einen Entwurf gehandelt hat. So konnte eben auch durch eine Zeugenaussage belegt werden, dass der Erblasser auch bekundet hatte, dass seine Lebensgefährtin Erbin werden sollte. Der Erbschein zugunsten der Lebensgefährtin war zu erteilen.
Hinweis: Zum Zweck der besseren Auffindbarkeit im Erbfall kann auch ein eigenhändiges Testament in die amtliche Verwahrung gegeben werden. Zuständig für die Verwahrung sind die Amtsgerichte.
Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 W 96/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Ein Testament kann dadurch aufgehoben werden, dass ein Erblasser eine neue Verfügung von Todes wegen aufsetzt, die zu dem früheren Testament in einem Widerspruch steht. So war es auch der Fall bei einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).
Die ledige und kinderlose Erblasserin hatte insgesamt vier handschriftliche Testamente errichtet. Zwei Geschwister, eine Schwester und ein Bruder der Erblasserin, waren bereits verstorben. Eine Großnichte der Erblasserin war der Ansicht, aufgrund eines der Testamente zur Ersatzerbin nach der verstorbenen Schwester der Erblasserin benannt worden zu sein. Sie berief sich hierbei auf ein Testament aus dem Jahr 2009, in dem die Erblasserin verfügte, dass für den Fall, dass die Schwester versterben sollte, sie ihre Großnichte zur Nacherbin einsetzt. Im April 2016 errichtete die Erblasserin dann ein letztes Testament, in dem sie an der Erbeinsetzung ihrer damals noch lebenden Schwester zwar nichts änderte, eine Ersatzerbeneinsetzung aber nicht mehr vornahm.
Das OLG schloss sich der Ansicht des Nachlassgerichts an, dass durch diese letzte Errichtung des Testaments und durch das Vorversterben der Schwester die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Steht das zeitlich nachfolgende Testament in einem Widerspruch zu einem früheren Testament, wird dieses frühere Testament aufgehoben. Ein solcher Widerspruch liegt nicht nur vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar sind - sich also gegenseitig ausschließen -, sondern auch dann, wenn die Anordnungen in ihrer Gesamtheit den späteren Absichten eines Erblassers entgegenstehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt abschließend und umfassend regelt. Von diesem letztgenannten Fall ist das OLG ausgegangen. In dem Testament aus dem Jahr 2016 hatte die Erblasserin die Erbeinsetzung ihrer Schwester lediglich wiederholt, die Benennung eines Ersatzerben aber unterlassen. Hätte sie eine erneute Ersatzerbeneinsetzung vornehmen wollen, hätte es dieser neuen letztwilligen Verfügung nicht bedurft. Aus diesem Grund ging das Gericht davon aus, dass die Erblasserin ihre Erbfolge im Jahr 2016 grundsätzlich neu regeln wollte. Hierdurch ist aufgrund des Vorversterbens der Schwester und des Tods der Erblasserin die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Der Erbscheinsantrag der Großnichte wurde zurückgewiesen.
Hinweis: In einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins gehen verbleibende Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich trotz Widerspruchs zwischen dem früheren und dem späteren Testament auf das frühere Testament beruft.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2023 - 3 Wx 189/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach Wertung des Gesetzes nichtig. Dies kann auch im Fall eines notariell beurkundeten Testaments der Fall sein, wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) in einer kürzlich ergangenen Entscheidung festgestellt hat.
Die 92 Jahre alte Erblasserin war schwer erkrankt und alleinstehend, als die einzige Tochter, die sich um die Erblasserin gekümmert hatte, im September 2022 verstarb. Die Erblasserin selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus, auf dessen Anregung hin eine Betreuung für die Erblasserin eingerichtet wurde. Bereits zwei Wochen nach der Einrichtung der Betreuung beauftragte die Betreuerin einen Notar mit der Beurkundung eines notariellen Testaments, in dem sie von der Erblasserin zur alleinigen Erbin eingesetzt wurde. In dem Testament hieß es, die Erbeinsetzung der Betreuerin folge aus Dankbarkeit für die Pflege. Wenige Tage nach Verlassen des Krankenhauses - die Betreuerin hatte die Erblasserin kurzzeitig bei sich zu Hause aufgenommen - verstarb die alte Dame. Das Nachlassgericht verweigerte die Erteilung eines Erbscheins mit der Begründung, das Testament sei sittenwidrig.
Dieser Einschätzung schloss sich auch das OLG an. Die Umstände, unter denen es zu der Errichtung des Testaments gekommen war, führten nach Einschätzung des Gerichts zur Sittenwidrigkeit. Das OLG nahm hierbei an, dass die Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf die alte, kranke und alleinstehende Erblasserin dazu benutzt hat, gezielt auf diese leicht beeinflussbare Person einzuwirken, um sie dazu zu bewegen, eine derartige Verfügung zu treffen.
Hinweis: Das OLG hat in dem Erbscheinsverfahren letztinstanzlich entschieden. In einem solchen Fall bleibt der Antragstellerin noch der Weg offen, eine sogenannte Erbenfeststellungsklage zu erheben.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 11.01.2024 - 6 W 175/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)