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Zum Thema Erbrecht
- Abwarten reicht nicht: Notarielles Nachlassverzeichnis bleibt auch nach erfolgten Einwendungen Verpflichtung des Schuldners
- Anfechtung wegen Irrtums: Entfällt grundlegende Voraussetzung für die Erbenstellung, kann gegen Testament vorgegangen werden
- Erbscheinsverfahren notwendig: Kein Nachweis der Rechtsnachfolge durch Eröffnungsprotokoll bei handschriftlichem Testament
- Nachlassverzeichnis verlangt: Mit Annahme des Vermächtnisses erlischt der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
- Pflichtteilsansprüche: Auskunftsanspruch besteht auch nach Ausschlagung der Erbschaft
In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht München (OLG) wehrte sich ein Erbe gegen die Verhängung eines Zwangsgeldes, weil er seiner Verpflichtung zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht nachgekommen war. Ob er damit erfolgreich war, lesen Sie hier.
Der Erbe war zuvor gerichtlich dazu verpflichtet worden, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Er hatte zunächst im Februar 2020 ein Notariat mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt und Belege zur Verfügung gestellt. Der Termin zur Aufnahme des Verzeichnisses im September 2022 wurde dann jedoch abgesagt, weil der Pflichtteilsberechtigte Einwendungen gegen das Verzeichnis erhoben hatte. Weiteres wurde durch den Erben daraufhin aber nicht veranlasst.
Das OLG hat hervorgehoben, dass es sich bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses um eine Verpflichtung des Schuldners handelt - unabhängig davon, ob die Mitwirkung eines Notars erforderlich ist. Der Schuldner hat aber alles Erforderliche zu unternehmen, um die Mitwirkung des Notars zu ermöglichen. Da das Zwangsgeld aber keinen Sanktionscharakter habe, komme es nicht darauf an, ob der Verpflichtete in der Vergangenheit alles Erforderliche getan habe - maßgeblich sei lediglich, ob dem Erben zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Handlungen möglich sind, die die Erstellung des Nachlassverzeichnisses erlauben. Hier hätte der Erbe zum Zeitpunkt, in dem Einwendungen durch den Pflichtteilsberechtigten erhoben wurden, aktiv auf den Notar zugehen müssen, um zu den Einwendungen Stellung zu nehmen. Ein Abwarten, bis der Notar auf den Erben zukommt und Fragen stellt, reicht nicht aus.
Hinweis: Dem Berechtigten steht ein Anspruch zu, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen zu werden. Dies soll eine höhere Gewähr dafür geben, dass der Verpflichtete im Beisein des Berechtigten richtige Angaben macht und dass der Notar eigene Nachforschungen anstellt.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 10.11.2022 - 33 W 775/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Ein Testament kann unter bestimmten Umständen angefochten werden, wenn sich der Erblasser beispielsweise über den Inhalt seiner Erklärung geirrt hat oder angenommen werden kann, dass er die Erklärung bei Kenntnis sämtlicher Umstände in der Form nicht abgegeben hätte. Eine Anfechtung ist aber auch möglich, wenn der Erblasser bei Erstellung der Verfügung eine bestimmte Erwartung an den Eintritt eines Umstands hatte, der dann aber nicht eingetreten ist. Mit einem solchen Fall hatte sich das Landgericht Wuppertal (LG) zu beschäftigen.
Die Erblasserin hatte ein handschriftliches Testament aufgesetzt, in dem sie ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt hatte und die Tochter auf den Pflichtteil beschränkte. In dem Testament kam deutlich zum Ausdruck, dass es der Erblasserin bei Abfassung der Verfügung darum ging, eine in ihrem Eigentum stehende Immobilie im Familienbesitz zu erhalten. Die Begrenzung der Tochter auf den Pflichtteil solle ausdrücklich keine Bestrafung der Tochter sein. Sie ging davon aus, dass nur die von ihr gewählte Erbeinsetzung dazu führen könne, dass das Haus in der Familie verbleibe. In der Folge zahlte der Bruder seiner enterbten Schwester den ihr zustehenden Pflichtteil aus und verkaufte kurze Zeit darauf die Immobilie an einen Dritten. Daraufhin erklärte die Schwester die Anfechtung des Testaments - und dies erfolgreich.
Das LG kam zum Ergebnis, dass die Erblasserin mit der Abfassung des Testaments deutlich gemacht habe, dass sie die Erbeinsetzung mit dem Umstand verbinde, dass das Haus in der Familie verbleibe. Dieser Umstand ist aber gerade nicht eingetreten. Das LG hat damit festgestellt, dass beide Kinder Miterben nach der verstorbenen Mutter geworden sind, womit auch die Grundlage für die Pflichtteilsvereinbarung hinfällig geworden war.
Hinweis: Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erfolgen. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erhalten hat.
Quelle: LG Wuppertal, Urt. v. 05.12.2022 - 2 O 317/21
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(aus: Ausgabe 02/2023)
Wer ein handschriftliches Testament nach den allgemein gültigen Regeln verfasst, geht meist sicher, dass sein Eigentum nach dem eigenen Tod in die richtigen Hände gelangt. Anders sieht das jedoch aus, wenn man inmitten eines Rechtsstreits verstirbt. Was einem als Erblasser dann naturgemäß egal sein kann, stellt die Erben wiederum vor besondere Herausforderungen, wie das folgende Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (LG) zeigt.
Der Nachweis, dass man Erbe geworden ist, kann durch einen Erbschein geführt werden. Ein Erbscheinsverfahren ist jedoch kosten- und unter Umständen auch zeitintensiv, weshalb die Erbin dieses Falls in einem Verfahren vor dem LG zum Nachweis ihrer Erbenstellung nach dem verstorbenen Ehemann eine Kopie des handschriftlichen Testaments sowie des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts vorgelegt hat. Der Umstand, dass sie dies überhaupt nachweisen musste, war deshalb notwendig geworden, weil der Ehemann Antragsteller in einem gerichtlichen Verfahren und während des Verfahrens verstorben war. Durch den Tod des Antragstellers war das Verfahren kraft Gesetzes unterbrochen. Die Witwe wollte den Rechtsstreit fortsetzen und legte zum Nachweis, dass sie Erbin geworden war, eben jene entsprechenden Kopien vor.
Dies reichte dem LG in einer solchen Konstellation aber nicht aus. Wird das Verfahren mit einem Scheinerben fortgesetzt, wirkt eine Entscheidung weder für noch gegen den wahren Erben. Der Verfahrensgegner wird dagegen dem Risiko ausgesetzt, ein zweites Mal - dann von dem richtigen Erben - in Anspruch genommen zu werden. Wegen dieser besonderen Bedeutung für den Rechtsstreit musste die Erbin zunächst einen Erbschein beantragen. Erst dann kann das ausgesetzte Verfahren fortgesetzt werden.
Hinweis: Bei notariell erstellten Testamenten reicht in der Regel als Nachweis der Erbenstellung das Testament inklusive des Eröffnungsprotokolls aus.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 22.11.2022 - 2-04 OH 7/20
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(aus: Ausgabe 02/2023)
Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte im Folgenden die Frage zu klären, ob einem Pflichtteilsberechtigten noch Auskunftsansprüche zustehen, nachdem er vom Erben mit einem Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteils bedacht wurde und dieses Vermächtnis auch angenommen hat.
Die Eheleute hatten 1958 einen Ehe- und Erbvertrag notariell beurkundet und darin verfügt, dass der überlebende Ehegatte den Abkömmlingen des zuerst Versterbenden eine Summe zu zahlen habe, die dem Wert des gesetzlichen Pflichtteils entspreche. Nach dem Tod der Ehefrau ist der Ehemann dieser Verpflichtung gegenüber dem Sohn nachgekommen. Der Sohn hat dieses Vermächtnis auch angenommen - er verlangte aber darüber hinaus von seinem Vater die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses.
Das OLG hat entschieden, dass dem Vermächtnisnehmer ein solcher Anspruch nicht mehr zusteht, nachdem er das Vermächtnis angenommen hat. Zwar habe der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich einen solchen Auskunftsanspruch - unabhängig davon, ob er das Vermächtnis angenommen hat oder nicht. Ein Auskunftsanspruch besteht aber dann nicht mehr, wenn der Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr bestehen kann, weil dann auch kein Informationsbedürfnis mehr besteht. So sah es das OLG in diesem Fall, weil der Sohn seinen Pflichtteil bereits erhalten hatte und der Pflichtteilsanspruch dadurch erfüllt war.
Hinweis: Neben dem besonderen Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten existiert auch ein allgemeiner Auskunftsanspruch über die Grundsätze von Treu und Glauben. Diese Auskunft ist aber nur auf Erstellung eines einfachen Nachlassverzeichnisses gerichtet.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 21.11.2022 - 33 U 2216/22
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(aus: Ausgabe 02/2023)
Das Gesetz sieht vor, dass einem Pflichtteilsberechtigten, der durch Enterbung zu seinem Pflichtteil kommt, Auskunftsansprüche gegen den Erben zustehen, um seine Anspruchshöhe ermitteln zu können. Ob dies auch für einen Pflichtteilsberechtigten gilt, der erst durch eine Erbschaftsausschlagung zum Pflichtteil kommt, wurde bislang unterschiedlich beurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste im folgenden Fall entscheiden, ob einem pflichtteilsberechtigten (Mit-)Erben auch nach Ausschlagung der Erbschaft noch ein Auskunftsanspruch gegen den Miterben zusteht.
Worum ging es in dem konkreten Fall? Nachdem der Erblasser im Jahr 2015 verstorben war, hat ein Miterbe die Erbschaft für sich und seine Kinder nach dem Tod des Erblassers ausgeschlagen und später seine Pflichtteilsansprüche von 12.000 EUR an seine Stieftochter abgetreten. Der Ausschlagende forderte seinen Bruder, der zugleich auch Testamentsvollstrecker war, erfolglos zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses auf.
Der BGH ging - wie schon das Oberlandesgericht zuvor - davon aus, dass dem Ausschlagenden ein Auskunftsanspruch gegen den Erben zustehe. Es sei nicht einzusehen, warum der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte, der die Erbschaft ausschlage, zwar den Pflichtteil verlangen könne, ihm aber - anders als dem enterbten Pflichtteilsberechtigten - kein Auskunftsanspruch zustehe. Der Testamentsvollstrecker ist daher verpflichtet worden, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen.
Hinweis: Im Rahmen der Auskunft ist ein Verzeichnis zu erstellen, aus dem sich alle aktiven Vermögenswerte und alle Verbindlichkeiten ergeben. Der Pflichtteilsberechtigte muss in die Lage versetzt werden, seinen Anspruch beziffern zu können.
Quelle: BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 60/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)