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Zum Thema Erbrecht
- Bedingte Verfügung: Wenn das Testament nur für den gemeinsamen Todesfall gilt
- Ohne Unterschrift unwirksam: Keine Erbeinsetzung des Begünstigten durch Nottestament
- Streit der Erbengemeinschaft: Keine Einrichtung einer Nachlasspflegschaft, wenn lediglich die Erbquoten strittig sind
- Ungewöhnlich, aber korrekt: Quittungsähnlicher Brief kann durchaus als Testament gelten
- Vermächtnis statt Erbe: Lebensgefährtin muss Bestattungskosten nicht zahlen
Die Auslegung von Testamenten spielt in der Rechtspraxis eine bedeutende Rolle. Was hat der Erblasser mit der Formulierung gewollt? Das Oberlandesgericht München (OLG) musste genau das herausfinden, nachdem eine Frau, die in einem Testament nur "für den Fall, dass mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passiert", als Alleinerbin eingesetzt wurde, nun das Erbe einforderte.
Die Erblasserin war ledig, kinderlos und hatte nur einen Bruder. Im Jahr 2007 schrieb sie eigenhändig ein Testament mit der genannten Formulierung und unterschrieb es. Nach ihrem Tod 2019 war das Original zunächst nicht auffindbar, nur eine Kopie lag vor. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Kopie echt war und das Testament wirksam errichtet wurde. In dem Testament hatte die Erblasserin folgende Formulierung gewählt: "Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren (...)".
Das OLG sah darin jedoch keine allgemeine Erbeinsetzung, sondern eine Bedingung: Die Begünstigte sollte nur dann Erbin werden, wenn die Erblasserin und ihr Bruder gemeinsam oder gleichzeitig auf Reisen sterben würden. Da die Erblasserin Jahre später eines natürlichen Todes starb und ihr Bruder sie überlebte, griff diese Bedingung nicht. Somit trat die gesetzliche Erbfolge ein und der Bruder wurde Alleinerbe. Das Gericht stellte klar, dass derartige Formulierungen im Testament sorgfältig ausgelegt werden müssen. Nicht jeder Hinweis auf einen bestimmten Anlass - etwa eine Reise oder eine Operation - bedeute automatisch, dass die Regelung nur für diesen Fall gelten solle. Im konkreten Fall sprachen jedoch die Wortwahl und der familiäre Hintergrund eindeutig für eine bedingte Verfügung.
Hinweis: Wer ein Testament schreibt, sollte klar unterscheiden, ob eine Erbeinsetzung für alle Fälle gelten soll oder nur für eine bestimmte Situation - etwa bei einem Unfall oder während einer Reise. Unklare Formulierungen können sonst dazu führen, dass das Testament wirkungslos bleibt und die gesetzliche Erbfolge greift.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 08.10.2025 - 33 Wx 25/25
| zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 12/2025)
In extremen Ausnahmesituationen, beispielsweise bei akuter Lebensgefahr, kann ein Testament auch mündlich vor drei Zeugen errichtet werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste im Folgenden entschieden, ob ein solches Dreizeugentestament ohne die Unterschrift des Erblassers unwirksam ist oder eine mündliche Erklärung vor Zeugen ausreicht, wenn der Erblasser noch schreiben konnte, seine Unterschrift aber nicht geleistet hat.
Im konkreten Fall hatte eine verwitwete, kinderlose Frau wenige Tage vor ihrem Tod in ihrer Wohnung ein Nottestament errichten lassen. Drei Zeugen unterzeichneten die Erklärung, die den Lebensgefährten zum Alleinerben machte. Die Erblasserin selbst unterschrieb jedoch nicht. Zwar befand sie sich in einem schlechten Gesundheitszustand, hatte aber kurz zuvor noch eine medizinische Belehrung unterschrieben, mit der sie eine Krankenhauseinweisung ablehnte. Das Nachlassgericht wies deshalb den Antrag des Begünstigten auf Erteilung eines Erbscheins ab.
Das OLG bestätigte diese Entscheidung und stellte klar, dass eine Unterschrift bei einem Dreizeugentestament grundsätzlich zwingend erforderlich ist. Nur wenn der Erblasser nachweislich nicht mehr schreiben könne, dürfe sie entfallen. Dafür reiche aber nicht aus, dass der Betroffene geschwächt sei oder eine Stütze beim Sitzen brauche. Da die Frau kurz vor der Testamentserrichtung noch eine eigene Unterschrift leisten konnte, hätte sie auch das Testament unterschreiben müssen. Zudem war nach Ansicht des OLG nicht ausreichend belegt, dass ein Notar zur Beurkundung tatsächlich nicht mehr erreichbar gewesen wäre. Das Nottestament war damit unwirksam. Die Erbfolge richtet sich nun vielmehr nach dem Gesetz, der Lebensgefährte erhielt somit keinen Erbschein.
Hinweis: Ein Nottestament ist nur in echten Ausnahmesituationen gültig - etwa bei akuter Lebensgefahr, wenn kein Notar erreichbar ist. Selbst dann muss der Erblasser, soweit möglich, eigenhändig unterschreiben. Fehlt die Unterschrift ohne zwingenden Grund, ist das Testament unwirksam.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.10.2025 - 33 Wx 174/25
| zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 12/2025)
Eine Nachlasspflegschaft kann angeordnet werden, um den Nachlass einer verstorbenen Person zu sichern und zu verwalten, wenn kein handlungsfähiger Erbe vorhanden oder bekannt ist. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste kürzlich entscheiden, ob eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden muss, wenn zwar Uneinigkeit über die Erbquoten besteht, die Erben selbst aber feststehen.
Ein verwitweter Mann hatte in einem Testament seine zweite Ehefrau und seine drei Kinder aus erster Ehe zu Erben bestimmt. Nach seinem Tod kam es zwischen den Erben zum Streit darüber, wer welchen Anteil am Nachlass erhalten sollte. Die Ehefrau wollte die Hälfte des Nachlasses beanspruchen, während die Kinder von einer gleichmäßigen Verteilung zu je einem Viertel ausgingen. Da die Kinder ohne Zustimmung der Ehefrau über Nachlassgegenstände verfügten, beantragte sie beim Nachlassgericht die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft. Das Amtsgericht gab dem Antrag zunächst statt.
Das OLG hob diese Entscheidung jedoch auf. Es stellte klar, dass die Bestellung eines Nachlasspflegers nach dem Gesetz nur dann zulässig ist, wenn der oder die Erben unbekannt sind - wenn also unklar ist, wer überhaupt erbt. Das war hier allerdings nicht der Fall: Die Erben waren namentlich bekannt und hatten die Erbschaft teils ausdrücklich, teils stillschweigend angenommen. Der Streit betraf nur die Höhe der jeweiligen Anteile. Solche Meinungsverschiedenheiten gehören zur internen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, rechtfertigen aber keine Nachlasspflegschaft.
Hinweis: Eine Nachlasspflegschaft dient allein der Sicherung des Nachlasses, wenn also unklar ist, wer Erbe ist oder ob jemand die Erbschaft annimmt. Sobald die Erben feststehen, bleiben Verwaltung und Klärung interner Streitfragen Sache der Erbengemeinschaft selbst.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 27.10.2025 - 33 Wx 219/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Aus einem Testament muss hervorgehen, dass es sich um eine letztwillige Verfügung des Erblassers handelt. Das klingt zunächst einmal nach einer großen Freiheit in der weiteren Gestaltung. So hatte es auch das Oberlandesgericht München (OLG) kürzlich einmal mehr mit einem eher ungewöhnlichen Testament zu tun - einem handschriftlich unterschriebenem Brief, der wie eine Quittung formuliert war. Ob dieses Schreiben den Anforderungen an ein Testament genügte, lesen Sie hier.
Der Erblasser war ledig und kinderlos. 1999 setzte er seine Lebensgefährtin in einem selbstgeschriebenen Testament als Alleinerbin zwar ein, unterschrieb dieses Blatt aber nicht. 2002 verfasste er zusätzlich ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schreiben. Darin bestätigte er seiner Partnerin ein Darlehen für Hausumbauten und ordnete an, dass im Fall seines Todes der genannte Betrag vorab vom Nachlass abgezogen werde und "ihr als Erbin" zugutekomme. Beide Schriftstücke lagen in seinem Schreibtisch. Nach dem Tod beantragte eine Angehörige einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge; das Nachlassgericht kündigte die Erteilung an. Dagegen legte die Lebensgefährtin Beschwerde ein - mit Erfolg.
Das OLG stellte klar: Das Schriftstück von 1999 ist mangels Unterschrift zwar formunwirksam, darauf kommt es aber nicht an, weil das zusätzliche Schreiben von 2002 alle Anforderungen erfüllt und mit erkennbarer Absicht verfasst wurde, die Nachlassverteilung zu regeln. Zwar beginnt der Text wie eine Bestätigung bzw. Quittung. Entscheidend ist jedoch die eindeutige Anordnung "im Falle meines Todes" und der ausdrückliche Bezug auf die Partnerin "als Erbin". Damit bringt der Erblasser unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie seine Rechtsnachfolgerin sein soll. Dass der Brief zugleich eine Zahlung bestätigt, schadet nicht: Eine letztwillige Verfügung kann auch dann vorliegen, wenn sie mit anderen Erklärungen in einem einzigen Schriftstück verbunden ist - solange der Wille zur Erbeinsetzung zweifelsfrei zu erkennen ist. In der Folge wurde der Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und der Antrag der Angehörigen auf einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge zurückgewiesen.
Hinweis: Für ein wirksames handschriftliches Testament kommt es vor allem darauf an, dass es vollständig eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist und klar erkennbar regelt, wer was bekommen soll. Auch ein schlicht formulierter, unterschriebener Brief kann genügen, wenn daraus eindeutig hervorgeht, dass eine Person als Erbe eingesetzt wird.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 09.10.2025 - 33 Wx 44/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Ob die Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstands bereits eine Erbeinsetzung ist oder nur eine Vermächtnisanordnung, ist oft eine der offenen Fragen nach einem Todesfall. Und so war sie auch Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG). Denn schließlich trennen beide Formen entscheidende Feinheiten, die große Auswirkungen haben.
Der Erblasser hatte wenige Monate vor seinem Tod ein handschriftliches Testament verfasst. Darin teilte er einzelne Gegenstände zu: die Wohnungseinrichtung, einen Porsche und vor allem das Ladengeschäft mit den dazugehörigen Gewerberäumen. Seine beiden Töchter sollten "keine weiteren Werte" erhalten, weil sie zu Lebzeiten bereits bedacht worden waren. Die Töchter bezahlten die Beerdigung und verlangten daraufhin die Erstattung der Kosten von der Lebensgefährtin, die aus Sicht der beiden nun Alleinerbin sei. Nachdem die Lebensgefährtin den Hauptbetrag überwiesen hatte, stritten die Parteien jedoch nur noch über Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten.
Das OLG stellte dann aber klar: Entscheidend ist, was der Verstorbene gewollt habe, wer den Nachlass organisieren und Schulden tragen sollte. In der Verfügung des Erblassers wurde das Wort "Erbe" aber gar nicht verwendet. Vielmehr wurden einzelne Vermögensstücke gezielt verteilt. Auch wenn die Gewerbeimmobilie den weitaus größten Wert hatte, folgt daraus nicht automatisch, dass die damit bedachte Lebensgefährtin auch Erbin ist. Denn ein Erbe übernimmt den gesamten Nachlass - mit allen Rechten und Pflichten. Ein Vermächtnis verschafft hingegen nur einen Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand gegen den oder die Erben. Und hier wollte der Verstorbene seine Lebensgefährtin gerade nicht mit der komplexen Abwicklung eines verschuldeten Nachlasses belasten, sondern ihr nur das Ladengeschäft zukommen lassen.
Dabei half dem Gericht der Blick auf einen älteren Erbvertrag zwischen den Beteiligten. Schon 2018 hatte der Verstorbene die Lebensgefährtin bewusst durch ein Vermächtnis begünstigt - ausdrücklich ohne ihr eine Erbenstellung zu geben. Das passte auch zu seiner Situation: hohe Schulden, die von den Töchtern in der Vergangenheit bereits teilweise aufgefangen worden waren. Dieses Gesamtbild sprach dafür, dass auch das spätere handschriftliche Testament nur einzelne Zuwendungen anordnen, aber keine Erben benennen sollte. Maßgeblich ist, ob die Person nach dem Willen des Erblassers die wirtschaftliche Stellung fortführen und die Nachlassschulden tragen soll. Das war hier nicht der Fall. Dies hatte aber zur Folge, dass in Ermangelung einer Erbeinsetzung die gesetzliche Erbfolge eingriff. Weil die Lebensgefährtin damit nicht Erbin war, fehlte von Anfang an die Grundlage für den Erstattungsanspruch der Töchter auf die Bestattungsaufwendungen. Ohne diesen Hauptanspruch gab es auch keine Verzugszinsen und keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das OLG hob das Urteil des Landgerichts daher auf und wies die Klage vollständig ab.
Hinweis: "Erbe" und "Vermächtnis" sind nicht dasselbe. Erben treten in alle Rechte und Pflichten ein und müssen auch Schulden und Bestattungskosten tragen; Vermächtnisnehmer erhalten nur den zugewandten Gegenstand als Anspruch gegen die Erben. Wer vermeiden will, dass Begünstigte später für Schulden haften, sollte dies klar im Testament regeln und die Rolle der Erben ausdrücklich bestimmen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 03.11.2025 - 10 U 81/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
