
Archiv
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Familienrecht
- "Mussbeteiligte": Wer Pflichten auferlegt bekommt, muss am Umgangsverfahren beteiligt werden
- Elternunterhalt: Sozialhilfeträger erstreitet vor dem BGH Rückzahlung von Pflegekosten
- Gütertrennung: Zugewinnausschluss in Unternehmerehe ist möglich
- Prozesskostenhilfe: Kein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ohne Anwalt
- Umgangsrecht: Sachverständige haften nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
Wenn das Umgangsrecht von Kindern gerichtlich geregelt werden soll, sind alle Beteiligten anzuhören. Und mit "alle" sind auch alle gemeint. Sind etwa zwei Personen betroffen, dann reicht es nicht, wenn nur eine am Verfahren beteiligt wird. Denn dass sonst das, was beschlossen wird, keinerlei Gültigkeit besitzt, zeigt dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Nachdem die Eltern sich getrennt hatten, lebten die Kinder (zehn und zwölf Jahre alt) erst bei der Mutter, dann beim Vater. Als der Vater jedoch später inhaftiert wurde, kam das ältere Kind zum Urgroßvater und das jüngere zu den Großeltern mütterlicherseits. Die Großeltern beantragten am 07.05.2024 die Übertragung der Vormundschaft für beide Kinder auf sich. Im Umgangsverfahren wurden die Großmutter und der Urgroßvater als Beteiligte angehört - der Großvater jedoch nicht. Mit Beschluss, der der Großmutter am 18.01.2025 zugestellt wurde, wurde daraufhin geregelt, dass der Vater den älteren Sohn jeden zweiten, den jüngeren jeden dritten Samstag im Monat sehen dürfe. Beide Großeltern wurden verpflichtet, die beiden Kinder jeweils zum Übergabetreffpunkt zu bringen und dort wieder abzuholen. Die Großeltern legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Regelung sei ihnen finanziell und logistisch unzumutbar.
Das OLG verwies die Sache zur nochmaligen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, denn der Großvater hätte am Verfahren beteiligt werden müssen. Die Sache wurde daher fehlerhaft entschieden. Pflegepersonen des Kindes sind regelmäßig Mussbeteiligte, wenn das Familiengericht ihnen im Rahmen einer Umgangsregelung Pflichten auferlegen will. Hier wurde der Großvater schließlich mit den Pflichten "Bringen und Abholen" belastet. Die unterlassene Beteiligung des Großvaters sei zudem ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Das Gericht sei hier ohne weitere Sachprüfung einfach davon ausgegangen, dass der Großvater allen Pflichten Folge leisten könne und werde.
Hinweis: Wenn das Gericht Pflichten auferlegen will, muss sichergestellt sein, dass der Verpflichtete diese auch erfüllen kann. Das muss das Gericht ermitteln - tut es das nicht, kann und sollte Beschwerde gegen die Entscheidung einlegt werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.03.2025 - 6 UF 27/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Werden Eltern bedürftig, schulden ihnen die Kinder Unterhalt. Trotzdem können die Eltern auch staatliche Hilfen beziehen. Springen Sozialhilfeträger ein, gehen die Unterhaltsansprüche gegen die Kinder auf den Staat über - außer, das unterhaltspflichtige Kind hat ein Jahreseinkommen von maximal 100.000 EUR. Ein Sohn, dessen Einkommen knapp darüber lag, zog dagegen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Eine 1937 geborene Mutter bezog in der Zeit von Januar bis Dezember 2020 Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch von insgesamt rd. 7.000 EUR. Der Träger verlangte diesen Betrag vom Sohn der Mutter. Der Sohn verdiente im Jahr rund 118.000 EUR, also monatlich rund 5.800 EUR netto. Seine Ehefrau verdiente ebenfalls so viel. Mit der Tochter lebte man im abbezahlten und unbelasteten Einfamilienhaus. Die zwei anderen Kinder der Mutter wurden nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen. Der Sozialhilfeträger klagte gegen den Sohn. Vor dem Amtsgericht bekam dieser noch Recht, vor dem Oberlandesgericht verhielt es sich umgekehrt, dieses entschied für den Träger. Und vor dem BGH?
Auch vor dem BGH gewann der Sozialhilfeträger. Daran ändert auch das am 01.01.2020 inkraftgetretene Angehörigen-Entlastungsgesetz nichts. Danach darf kein Rückgriff mehr bei Kindern genommen werden, die lediglich ein Jahreseinkommen bis zu 100.000 EUR haben. Dieser Ausschluss bedeute aber nicht, dass die Kinder zivilrechtlich nicht unterhaltsverpflichtet wären. Nur der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger wird ausgeschlossen, nicht aber der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihr Kind. Daran gemessen konnte der Sohn zur Rückzahlung herangezogen werden, und der muss nun 6.200 EUR an den Sozialhilfeträger bezahlen.
Hinweis: Kinder, die über 100.000 EUR Jahreseinkommen haben, sind also bei dem Rückgriff durch die Sozialhilfeträger besonders "gefährdet". Sie sollten verstärkt darauf achten, dass bei der Berechnung des Rückgriffs ihr angemessener Selbstbehalt korrekt berechnet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie im Endeffekt nicht zu viel bezahlen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 07.05.2025 - XII ZB 563/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Ein Ehevertrag ist keine Seltenheit mehr, um im Scheidungsfall einen eventuellen Zugewinn zu schützen. Dieser Schutz steht Eheleuten auch in Unternehmerehen zu. Denn hier geht es oft um den Bestand des gesamten Unternehmens, dem manches Mal sonst eine Zerschlagung drohen könnte. Ob der Zugewinnausgleich im folgenden Fall allerdings wirksam ausgeschlossen worden war, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Eine Unternehmensberaterin und ein Gesellschafter von verschiedenen Unternehmen seiner Familie heirateten. Sie vereinbarten Gütertrennung unter Ausschluss des Zugewinnausgleichs sowie des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts. Dabei orientierten sie sich an den Gesellschaftsverträgen. Nach zehn Jahren Ehe und drei Kindern ließen sich die Eheleute scheiden. Die Frau war abgesichert, denn ab einer Dauer von vier Ehejahren stand ihr eine monatliche Versorgung von 5.000 EUR zu, der Zugewinnausgleich war wirksam ausgeschlossen worden. Dennoch machte sie im Scheidungsprozess einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend. Der Ausschluss im Ehevertrag sei unwirksam, da er einseitig zu ihren Lasten ginge und damit sittenwidrig sei. Damit drang sie vor dem BGH aber nicht durch.
Unternehmerische Interessen können legitime Beweggründe für eine Gütertrennung sein. Insbesondere bei sogenannten Unternehmerehen kommt dem Vermögensschutz ein hoher Stellenwert zu. Auch hat sich die Frau bei Vertragsschluss nicht in einer schwächeren Position befunden; sie war bereits studierte Betriebswirtin und konnte die finanzielle Tragweite des Ausschlusses also überblicken. Sie wurde bei Vertragsschluss - salopp gesagt - nicht über den Tisch gezogen. Sie war bei den Vertragsverhandlungen sogar anwaltlich vertreten worden. Der Ausschluss des Zugewinns war in Augen des BGH also wirksam erfolgt.
Hinweis: In Unternehmerehen kann der Zugewinnausgleich wirksam ausgeschlossen werden. Das unterliegt der Vertragsfreiheit. Es darf dabei aber keine Zwangslage oder Schwäche ausgenutzt werden, was den Ausschluss sittenwidrig machen würde.
Quelle: BGH, Beschl. v. 28.05.2025 - XII ZB 395/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Auch finanziell schwache Familien oder Personen müssen ihr Recht gerichtlich durchsetzen können. Dafür können sie Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe - VKH) beantragen, und ein Rechtsbeistand kann beigeordnet werden - sofern es die Sach- und Rechtslage erfordern. Ob eine Vaterschaftsfeststellung ein solches Erfordernis darstellt, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) klären.
Ein minderjähriges Kind wurde vor Gericht durch das Jugendamt als Beistand vertreten. Das Jugendamt hat seinerseits einem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft eines Mannes eingereicht. Dieser habe in der sogenannten "gesetzlichen Empfängniszeit" mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt. Der Mann gab jedoch an, im Empfängniszeitraum nicht mit der Mutter verkehrt und zuvor im Iran eine Vasektomie durchgeführt zu haben. Die Mutter hatte noch einen weiteren Sexpartner, dieser ließ sich aber nicht ermitteln. Die Mutter beantragte die Bewilligung von VKH unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für sich. VKH erhielt sie zwar, einen Anwalt jedoch nicht. Die Sache sei für sie schließlich einfach, die Mutterschaft stehe ja fest. Eine Beiordnung sei also nicht erforderlich. Die Mutter legte Beschwerde ein.
Das OLG legte dar, dass ein Anwalt dann auf Antrag beigeordnet wird, wenn wegen schwieriger Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob das der Fall ist, bestimmt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten. Bei einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren sei hingegen für alle Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten. Es können schließlich auch Zwangsmaßnahmen gegen den Kindsvater notwendig werden - etwa, um eine Anwesenheit im Termin zur Erörterung vor Gericht zu gewährleisten und eine Abstammungsuntersuchung durchzusetzen. Und all dies kann durchaus für eine schwierige Sach- und Rechtslage sorgen. Daher wurde der Mutter in diesem Fall durch das OLG auch ein Anwalt beigeordnet.
Hinweis: Im Vaterschaftsanerkennungsverfahren kann also von einer besonderen Schwierigkeit ausgegangen werden. Damit ist die Beiordnung eines Anwalts unproblematisch. Nutzen Sie die Beiordnung bei Bedürftigkeit, damit Sie angemessen vertreten sind.
Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 23.06.2025 - 12 WF 31/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Bei Scheidungen entbrennen bei der Regelung des Umgangsrechts oft regelrechte Schlammschlachten. Wird dafür ein Sachverständiger hinzugezogen und macht dieser in seinem Gutachten Fehler, kann dies zur Haftung des Sachverständigen führen, wenn ihm die Fehler nachgewiesen werden können. Eine solche Bewertung musste das Landgericht Saarbrücken (LG) treffen.
In einem Verfahren sollte ein Sachverständiger in einem Gutachten die Frage beantworten, wie das Umgangsrecht des Vaters mit den beiden gemeinsamen Kindern in Zukunft stattfinden solle. Das Familiengericht bat zur Vorbereitung einer Sitzung darum, das bisherige Ergebnis der Begutachtung vorab schriftlich zusammenzufassen. Dies tat der Gutachter und schilderte in einer Sachstandsmitteilung, dass aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht abgeschätzt werden könne, ob und welche Art von psychischem Krankheitsgeschehen bei der Mutter vorliege. Es gäbe aber Hinweise auf eine kindeswohlgefährdende Lebenssituation durch einen möglichen erweiterten Suizid durch die Mutter. Ebenso sprach die Mutter von erlebter häuslicher Gewalt. Der Gutachter konnte diese Angaben aber nicht verifizieren. In der Folge wurde beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder entzogen und der Mutter sogar die Kontaktaufnahme verboten. Schlussendlich leben die Kinder nun beim Vater, nachdem sich Vater und Mutter hierauf einigten. Die Mutter verklagte den Gutachter dennoch auf Schadensersatz von ca. 15.600 EUR für ihr entstandene Sachverständigenkosten und auf ein angemessenes Schmerzensgeld von 75.000 EUR. Sie scheiterte damit aber vor dem LG.
Denn die Eltern führten eine Einigung über den Verbleib der Kinder herbei, noch bevor ein abschließendes Gutachten getroffen wurde. Zudem ließ sich nicht feststellen, dass der Gutachter vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt hatte. Er hatte nur dargestellt, dass er keine Diagnose stellen und nichts ausschließen kann. Der Gutachter hat seine Einschätzung auf normalerweise verlässliche Kontaktpersonen gestützt. Eine grob fahrlässige Begutachtung scheidet daher aus. Der Mutter standen keine Ersatzansprüche zu.
Hinweis: Gerichtsgutachter können haften, aber nur, wenn sie fehlerhaft handeln. Möchten Sie Ansprüche gegen die Gutachter gelten machen, sind diese Fehler zu benennen und zu belegen.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 05.06.2025 - 9 O 229/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)