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Zum Thema Familienrecht
- Angreifbarer Sorgerechtsbeschluss: Keine Sorgerechtsentscheidung ohne negative Kindeswohlprüfung
- Bestimmtheitsgebot: Beschwerdeanträge müssen klar bestimmt sein
- Ersatz für Zugewinnausgleich: Riskantes Vorgehen einer Anwältin kommt diese teuer zu stehen
- Flexibilität fürs Kindeswohl: Selbständige müssen zur Unterhaltssicherung nicht unbedingt ins Angestelltenverhältnis wechseln
- Gewaltschutz: WhatsApp-Statusmeldung ist noch keine Kontaktaufnahme
Sorgerechtsstreitigkeiten gehen oft durch alle Instanzen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Rostock (OLG) kann eine höhere Instanz einen Sorgerechtsstreit sogar dann zurückverweisen, wenn dies gar nicht beantragt war. Klingt komisch? Dann lesen Sie selbst.
Die unverheirateten Kindeseltern hatten sich im Juni 2022 getrennt. Der Vater wollte gern die gemeinsame Sorge. Die Mutter sträubte sich zunächst, da Gewaltvorwürfe gegen den Vater im Raum standen. Später stimmte sie jedoch zu. Auch das Jugendamt und Psychologen befürworteten die gemeinsame Sorge. Also wurde diese dann auch amtsgerichtlich festgestellt, wobei das Amtsgericht (AG) hier nur die Zustimmung der Mutter und die Empfehlungen der Psychologen und Ämter berücksichtigte - eine Kindeswohlprüfung wurde hingegen nicht durchgeführt. Die Mutter legte daraufhin Beschwerde gegen die Entscheidung ein, da sie nicht richtig über die Auswirkungen ihrer Zustimmung aufgeklärt worden sei.
Das OLG hat daraufhin den Sorgerechtsbeschluss des AG und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde insgesamt an das AG zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dies sei nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sogar ohne dahingehenden Antrag eines Verfahrensbeteiligten möglich. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Gericht in der Sache selbst noch nicht entschieden hat. Hier wurde zwar ein Sorgerechtsbeschluss gefasst - das Gericht hatte aber im vereinfachten Verfahren entschieden. Eine grundsätzlich gebotene negative Kindeswohlprüfung wurde nicht durchgeführt, und genau diese muss es jetzt nachholen.
Hinweis: Ein Gericht darf sich in seiner Prüfung also nicht allein auf die Prüfung beschränken, ob eine Maßnahme dem Kindeswohl entspricht - vielmehr muss es gerade auch prüfen, ob die Entscheidung dem Kindeswohl widerspricht. Tut es das nicht, dann ist seine Entscheidung unter Umständen angreifbar.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 27.09.2024 - 10 UF 50/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Wer sich durch eine Gerichtsentscheidung beschwert fühlt, kann Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung oder einen Teil der Entscheidung einlegen. Hierzu muss man aber ganz genau benennen, im welchem Umfang man sich beschwert fühlt und mit welchem Ziel die angegriffene Entscheidung angefochten werden soll. Unklar war im folgenden Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH), ob der Beschwerte dies im ausreichenden Umfang getan hatte.
Im Jahr 1996 hatte ein Paar durch formlose Erklärung in Ägypten eine sogenannte "Orfi-Ehe", auch "Urfi-Ehe" genannt, geschlossen. 1998 schloss das Paar vor einem Notar im ägyptischen Alexandria schließlich noch die offizielle Ehe mit Ehevertrag. Der Mann war seinerzeit ägyptischer Staatsbürger, die Frau deutsche Staatsbürgerin. Später ließ sich das Paar scheiden. Im Verfahren setzte der Mann eine Auskunftserteilung zur Berechnung des Unterhalts gegen die Frau durch. Nach Auskunftserteilung bezifferte er seinen Antrag aber nicht. Vielmehr beantragte er, dass das Amtsgericht vorab entscheiden soll, ob der Zugewinnausgleich grundsätzlich nach deutschem Recht durchzuführen ist. Der Antrag auf Zugewinnausgleich wurde zurückgewiesen, weil die Beteiligten im Ehevertrag eine Rechtswahl zugunsten des "islamischen Rechts" getroffen hätten. Hiergegen legte der Mann Beschwerde ein, die jedoch als unbestimmt zurückgewiesen wurde.
Der BGH war hier jedoch anderer Meinung. Denn nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit muss der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen damit begründen, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären. Und diesen Vorgaben hatte der Mann hier in Augen des BGH-Senats entsprochen.
Hinweis: Denken Sie bei Ihrer Beschwerde an die W-Fragen: Was beschwert Sie? Warum beschwert es Sie? In welchem Umfang beschwert es Sie? Wie und in welchem Umfang soll erreicht werden, dass diese Beschwer wegfällt? Wenn Sie diese Fragen in Ihrem Antrag beantworten können, sollte dieser bestimmt genug sein.
Quelle: BGH, Beschl. v. 14.08.2024 - XII ZB 386/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Wer dem guten Rat folgt, einen Rechtsbeistand einzuschalten, der möchte zu Recht sichergehen, dass dieser die Interessen seiner Mandanten gebührend vertritt. Das bedeutet auch, dass Anwälte gerade bei unklarer Rechtslage alle Risiken miteinbeziehen und den sichersten Weg empfehlen müssen. Alles andere führt zu Schadensersatzansprüchen und zum Verlust von Rechtsansprüchen - wie in diesem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete.
Ein ehemaliger Mandant verklagte seine Anwältin auf rund 86.000 EUR Schadensersatz. Er hatte Zugewinnausgleich in dieser Höhe gegen seine Frau geltend gemacht, dieser Anspruch wurde ihm gerichtlich aber rechtskräftig verwehrt. Die Ex-Frau hatte zunächst eine Klage auf Zugewinnausgleich beim Amtsgericht (AG) Mannheim eingereicht. Ihr Ex-Mann tat daraufhin Selbiges beim AG in Delmenhorst. Und eben dieses regte das Ruhen des Verfahrens so lange an, bis die Kollegen in Mannheim über die Klage der Frau entschieden haben. Weil Mannheim aber eben nicht entschied, nahm die Anwältin das Verfahren in Delmenhorst erneut auf - dies aber erst nach zehn Monaten. Die Ex-Frau berief sich daher auf Verjährung - und bekam Recht. Der Mann sah hier ein Verschulden bei seiner Anwältin und nahm sie deswegen in die Haftung.
Vor dem BGH bekam er auch Recht. Nach § 204 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch wird die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt, und zwar für sechs Monate. Im Einzelfall kann die Hemmung auch länger andauern, wenn es für das Nichtbetreiben einen wichtigen Grund gibt. Nimmt ein Anwalt einen wichtigen Grund an, darf er sich aber nicht darauf verlassen, dass das Gericht das ebenso sieht. Er muss also vor Ablauf der Sechsmonatsfrist das Verfahren wieder aufnehmen. Sonst kann in der Tat ein Schaden entstehen, für den der Anwalt einstandspflichtig ist. Im vorliegenden Fall muss die Anwältin nun also den "Zugewinnausgleich" stemmen, also sage und schreibe rund 86.000 EUR.
Hinweis: Auch die Verjährung in Familiensachen wird durch Aufnahme der Rechtsverfolgung gehemmt. Familiensachen dürfen nicht länger als sechs Monate nicht betrieben werden, sonst können sie verjähren.
Quelle: BGH, Urt. v. 19.09.2024 - IX ZR 130/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt zu leisten. Um diesen zu sichern, kann von einem selbständigen Elternteil sogar gefordert werden, in eine besser bezahlte Anstellung zu wechseln. Ausnahme: Die Selbständigkeit sichert gerade erst, dass sich der Elternteil gut und flexibel um die Kinder kümmern kann, so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).
Die Eltern zweier minderjähriger Kinder trennten sich im August 2021. Die Kinder blieben bei der Mutter. Sie zogen mit ihr aus der elterlichen Wohnung in eine Mietwohnung. Der Vater verblieb in einer Immobilie, deren Eigentümer er war, und vermietete diese unter. Die Mutter bezog Berufsunfähigkeitsrente und arbeitet zudem stundenweise selbständig. Nun stritten beide Elternteile um den Unterhaltsanspruch der Mutter. Der Vater wollte diesen nicht zahlen, die Mutter könne schließlich vollschichtig arbeiten gehen. Den Unterhalt für die Kinder zahlte der Vater wiederum anstandslos.
Die Richter des OLG standen auf Seiten der Mutter. Zwar kann von einem Unterhaltsschuldner die Aufgabe einer selbständigen Existenz zugunsten einer besser bezahlten, abhängigen Beschäftigung zumutbar sein. Hier sichert die selbständige Arbeit der Mutter durch die damit verbundene Flexibilität, die im Rahmen eines Angestelltendaseins nicht gegeben ist, dass sie den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden kann.
Hinweis: Unter dem Strich geht es immer um das Kindeswohl. Kann man diesem im Rahmen der Selbständigkeit oder stundenweisen freien Tätigkeit besser gerecht werden, kann nicht verlangt werden, dass man diese aufgibt. Wird von Ihnen im Rahmen eines Unterhaltsprozesses verlangt, dass Sie sich beruflich verändern, argumentieren Sie mit dem Kindeswohl. Nur, wenn die Änderung diesem förderlich wäre, kann diese von Ihnen verlangt werden - sonst nicht!
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 04.07.2024 - 4 UF 35/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)
Über das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) lassen sich Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirken. Aber was genau als Kontaktaufnahme gilt, ist besonders in unseren kommunikativ durchtechnisierten Zeiten oft nicht einfach zu bewerten. Genau dann müssen eben auch die Gerichte entscheiden, so wie das Oberlandesgericht Hamburg (OLG).
Die Rechtsanwältin einer Ehefrau hatte deren Ehemann zur Auskunft über seine Vermögensverhältnisse aufgefordert, um den Unterhaltsanspruch der Frau zu berechnen. Eine Auskunft erhielt sie nicht, stattdessen aber übelste und äußerst obszöne Beleidigungen per Mail. Daher erwirkte sie eine Anordnung nach § 1 GewSchG gegen den Ehemann, mit der ihm untersagt wurde, in irgendeiner Form Kontakt zur Rechtsanwältin aufzunehmen, sie zu bedrohen, zu beleidigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln. Als die Rechtsanwältin ihn später zur Bezahlung einer Forderung aufforderte, zahlte er nicht. In seinem WhatsApp-Status beschimpfte er die Anwältin kurz darauf aber als "korrupte Anwältin" und sparte dabei auch nicht an Beleidigungen seiner Exfrau. Die Juristin hielt dies für einen Verstoß gegen das GewSchG und wollte ein Ordnungsmittel gegen den Ehemann erwirken.
Damit scheiterte sie aber. Das OLG sah in der WhatsApp-Statusmeldung keine Kontaktaufnahme. Zwar werde die Rechtsanwältin angesprochen, eine Kontaktaufnahme setze aber eine aktive Handlung voraus, nicht nur eine bloße Statusmeldung.
Hinweis: Wurden Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirkt, sollte man trotz dieser Entscheidung auch Statusmeldungen, in denen man angesprochen wird, melden. Auch wenn diese noch keine Kontaktaufnahme sind, können sie doch der Anfang einer neuen Eskalation sein. Man tut gut daran, Schutzmaßnahmen zu verschärfen oder eine neue Beratung in Anspruch zu nehmen, was man in solchen Fällen machen kann. Im Status kann zum Beispiel ja auch eine Beleidigung enthalten sein, die neue rechtliche Anordnungen rechtfertigen kann.
Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.10.2024 - 12 WF 87/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2024)