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Zum Thema Familienrecht
- Anwalt irrt gewaltig: Beschwerde statt Einspruch gegen Versäumnisbeschluss eingelegt
- Bis Juni 2024: Bundesverfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber, das Verbot der Kinderehe nachzubessern
- Familienrecht ist kein Strafrecht: Kindesentführung im Inland bleibt ohne Folgen
- Keine eindeutige Regelung: Kein Ordnungsgeld gegen Mutter, die sich der unklaren Umgangsvereinbarung widersetzte
- Trotz Verwendungszweck "Darlehen": Zuwendung unter künftigen Eheleuten muss nur hälftig zurückgezahlt werden
Der folgende Fall behandelt zwar kein spezifisches Problem im Familienrecht, sondern es handelt sich vielmehr um einen Denkfehler des betreffenden Anwalts. Da sich dieser aber in einer Familiensache abspielte, haben Sie an dieser Stelle das "Vergnügen" zu lesen, wie falsch Juristen liegen können. Das Versehen ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) und wird nach dessen Abfuhr sicherlich noch einen Haftungsprozess gegen den Anwalt nach sich ziehen.
Ein Verkehrsstau, wer kennt ihn nicht. So steckte auch der Rechtsanwalt dieses Falls auf dem Weg ins Gericht in einem solchen fest, woraufhin er von unterwegs aus bei Gericht anrief. Er schätzte seine Verspätung auf 20 Minuten ein - tatsächlich aber kam er erst 40 Minuten nach Terminsbeginn im Gerichtssaal an. In der Zwischenzeit hatte der Gegner bereits die Geduld verloren und einen sogenannten Versäumnisbeschluss beantragt. Und obwohl der Anwalt noch erschien und Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragte, erließ der Richter zwei Wochen später den Versäumnisbeschluss, nach dem Nachscheidungsunterhalt zu zahlen war.
Und nun kommt besagter Denkfehler ins Spiel. Der Anwalt legte hiergegen nämlich das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Doch diese wäre nur bei einem "normalen" Beschluss korrekt gewesen - gegen einen Versäumnisbeschluss aber muss man "Einspruch" einlegen. Und nicht nur die Überschrift war falsch: Für eine Beschwerde hat man einen Monat Zeit, für einen Einspruch nur zwei Wochen. Für die Umdeutung des Rechtsmittels in einen Einspruch hatte der Anwalt das Schreiben also zudem auch zu spät abgeschickt. Die Sache ging schließlich bis zum BGH, doch auch dort konnte man dem Anwalt nicht weiterhelfen.
Hinweis: Der anwaltliche Fehler ist eindeutig, im Haftungsprozess gegen ihn dürfte es nun um die Frage gehen, ob der ausgeurteilte Unterhalt nicht ohnehin zustande gekommen wäre, so dass gar kein Schaden entstanden ist.
Quelle: BGH, Beschl. v. 29.03.2023 - XII ZB 409/22
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(aus: Ausgabe 06/2023)
Dass es unserer deutschen Rechtsordnung widerspricht, wenn Kinder heiraten, liegt auf der Hand. Aber der Rechtsstaat muss eine Lösung finden für Minderjährige, die im Ausland wirksam geheiratet haben und nun in Deutschland wohnen. Der Gesetzgeber hatte die Lösung gewählt, Eheschließungen, bei denen ein Beteiligter unter 16 Jahre alt war, als unwirksam anzusehen. Doch nach eingehender Betrachtung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Bedenken, was die Ausarbeitung des Gesetzes angeht - es verlangt eine Nachbesserung.
Dass es auf den ersten Blick unseren gesellschaftlichen Vorstellungen gut entspricht, Ehen als unwirksam anzusehen, wenn sie unserem Ehebild widersprechen, stellt sich aber in den Rechtsfolgen als Nachteil gerade für die heraus, die geschützt werden sollen. Angenommen, eine 14-Jährige wäre im Ausland wirksam mit einem älteren Mann verheiratet worden, bekäme Kinder von ihm und zöge mit ihm nach Deutschland. Hier fände der Mann Arbeit und das Paar käme zu Wohlstand, während sie als Hausfrau und Mutter die Kinder betreuen würde. Das "Gesetz zum Verbot von Kinderehen" würde nun dazu führen, dass sie im Fall einer Scheidung keinerlei Ansprüche aus der Ehe hätte - denn sie wäre ja nach deutschen Vorstellungen unverheiratet. Sie bekäme also weder Unterhalt (falls die Kinder nicht mehr ganz klein sind) noch einen Teil seiner Rente (Versorgungsausgleich) noch etwas von seinem Vermögen (Zugewinnausgleich).
So geht das nicht, befand das BVerfG, und hat den Gesetzgeber bis Juni 2024 zur Nachbesserung aufgefordert. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass der minderjährig Verheiratete nach Erreichen der Volljährigkeit die Ehe im Inland wirksam weiterführen könne - ohne neu heiraten zu müssen. Zudem müssten die Auswirkungen auf den Unterhalt bedacht werden.
Hinweis: Das Gesetz ist nicht außer Kraft gesetzt und darf bis Juni 2024 noch angewendet werden.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 01.02.2023 - 1 BvL 7/18
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(aus: Ausgabe 06/2023)
Der folgende Fall zeigt, wie schnell einem Elternteil im Inland das eigene Kind entzogen und bis zu einer gerichtlichen Klärung entfremdet werden kann. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) musste hier - so die Grundlage des Familienrechts in Kindersachen - zugunsten der Kinder entscheiden.
Die Eheleute und die beiden Kinder hatten zusammen in Süddeutschland gewohnt. Um sich zu trennen, tauchte die Frau in einem Frauenhaus in Norddeutschland unter und nahm die beiden Kinder mit. Das Jüngere wurde noch beigestillt, das Ältere war im Kindergartenalter. Der Vater wollte erreichen, dass die Kinder zurück nach Süddeutschland kommen, und beantragte beim Familiengericht (FamG) an seinem Wohnort das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Er war bereit, Mutter und Kindern die Familienwohnung zu überlassen und auszuziehen. Alternativ bot er an, die Kinder selbst zu betreuen. Doch das Jugendamt am Ort des Frauenhauses attestierte eine gute Versorgung der Kinder und teilte mit, die Mutter habe dort eine Wohnung gefunden, in die sie demnächst umziehe. Der Verfahrensbeistand sprach sich für einen Verbleib der Kinder bei der Mutter aus, weil die Bindung zu ihr enger sei. Eine Trennung des Säuglings von der Mutter komme zudem nicht in Betracht. Ob für die Mutter eine Bedrohungslage durch den Vater bestanden hatte, ließ sich nicht aufklären.
FamG und OLG entschieden im Eilverfahren vorläufig - beide zum Nachteil des Vaters. Dabei kam es ausdrücklich nicht auf die Frage an, dass die Mutter die Kinder entführt und damit das Sorgerecht des Vaters verletzt habe. Denn Familienrecht ist kein Strafrecht. Bei der Abwägung darf nur das Kindeswohl eine Rolle spielen, nicht das Bedürfnis der Sanktion eines Fehlverhaltens eines Elternteils. Der Ortswechsel ohne das Einverständnis des anderen Elternteils hat innerhalb Deutschlands nur Bedeutung für die Frage, ob daraus Rückschlüsse auf eine Entfremdungsabsicht zu ziehen sind. Das OLG glaubte der Mutter zwar nicht, dass kein näheres Frauenhaus aufnahmebereit gewesen wäre, und sah, dass der Vater seine Kinder seit Monaten nicht gesehen hatte. Dennoch unterstellte es der Mutter nicht, die Kinder dem Vater entfremden zu wollen. Das Grundrecht eines Elternteils verbietet es, ihn selbst zum Rückzug aufzufordern. Es geht allein um den Aufenthalt der Kinder.
Hinweis: In einem Hauptsacheverfahren kann noch der endgültige Verbleib der Kinder geklärt werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit für den Vater ist in diesen Fällen aber gering. Das Verhalten der Mutter wird als "ertrotzte Kontinuität" bezeichnet. Bis das Hauptsacheverfahren entscheidungsreif ist, werden sich die Kinder am neuen Wohnort und mit der neuen Situation so eingelebt haben, dass kein Gericht sie wieder herausreißt. Bei jüngeren Kindern führt die Eigenmächtigkeit daher häufig zum Ziel.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.02.2023 - 15 UF 267/22
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(aus: Ausgabe 06/2023)
Wenn der Umgang zwischen einem Kind und einem Elternteil gerichtlich geregelt werden muss, hat es vorher schon Schwierigkeiten zwischen den Eltern gegeben, in die ein Erlass eines Beschlusses oder der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs Ruhe bringen soll. Damit im Fall einer Zuwiderhandlung eine Vollstreckbarkeit mit einem Ordnungsmittel möglich ist, müssen die Bedingungen im entsprechenden Schriftstück aber auch klar und deutlich formuliert sein. Ist die Formulierung der Umgangsregelung nicht hundertprozentig eindeutig, kommt es zu Streitigkeiten, über die in diesem Fall das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) zu urteilen hatte.
Für einen Vater war dessen Umgangsrecht "Alle 14 Tage von Freitag nach der Schule bis Montag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit dem 16.09. bis 19.09.2022" formuliert. Am 16.09. waren aber noch Ferien. Die Schule begann für das Kind erst am Montag, dem 19.09.2022. Die Mutter verweigerte aus diesem Grund den Umgang vom 16.09. bis 19.09.2022. Der Familienrichter, der den Beschluss formuliert hatte, hatte aber offensichtlich gemeint, dass das Kind das Einschulungswochenende beim Vater verbringen soll, und setzte ein Ordnungsgeld von 300 EUR gegen die Mutter fest. Beim OLG wurde das allerdings aufgehoben.
Für die Vollstreckung muss die gerichtliche Entscheidung hinreichend bestimmt sein. Die hier gewählte Formulierung ("Umgang ... von Freitag nach der Schule ...") wird für den Normalfall des Schulbesuchs als ausreichend angesehen, weil es darum geht, dass der betreuende Elternteil dafür sorgen muss, dass der Umgangsberechtigte das Kind von der Schule abholen kann. Die Formulierung erfasst aber keine Verpflichtung an schulfreien Tagen. Denn dann ist weder Ort noch Uhrzeit der Übergabe klar. Damit ist auch unklar, durch welches Verhalten die Mutter genau gegen den Beschluss verstoßen habe. Die mögliche Bestimmbarkeit durch ergänzende Auslegung (also logisches Denken) reicht im förmlichen Vollstreckungsverfahren nicht aus.
Hinweis: Vor allem, wenn die Umgangsvereinbarung im Gerichtstermin als Vergleich protokolliert wird, muss man auf Genauigkeit beharren und den Richter gegebenenfalls um ergänzende Verbalisierung dessen bitten, was gemeint ist. Sonst ist der Vergleich im Streitfall wertlos.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.04.2023 - 5 WF 29/23
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(aus: Ausgabe 06/2023)
Manche Paare nehmen es bereits vor der Hochzeit nicht genau mit der Trennung ihrer Finanzen. Andere Paare haben das gemeinsame Ziel, sich steuerlich besonders findig zu verhalten. Schriftliche Verträge gibt es dabei nur selten. All dies zusammen führt oft zu unerwarteten wirtschaftlichen Folgen bei einer Scheidung, wie auch in diesem Fall vor dem Amtsgericht Hamburg (AG).
Am 10.12.2016 fand die Hochzeit statt. Drei Wochen vorher überwies der Mann an die Frau 200.000 EUR mit dem Betreff "Darlehen für Baufinanzierung". Die Frau leitete das Geld an ihre Eltern weiter. Dahinter stand der gemeinsame Plan, zusammen mit den Eltern der Frau ein Sechsfamilienhaus in Kroatien zur Vermietung an Feriengäste zu betreiben. Das Grundstück gehörte den Eltern, das Haus befand sich im Rohbauzustand. Das Paar hatte den Wunsch, Schenkungsteuer zu vermeiden, wie sich aus einer parallelen WhatsApp-Korrespondenz ergibt. Deshalb war die Überweisung vom Mann an die Frau als Darlehen bezeichnet gewesen. Nur zwei Jahre später lief schon das Scheidungsverfahren, und der Mann wollte seine 200.000 EUR zurück. Er versuchte das über eine Darlehenskündigung. Die Frau bestritt, dass der Mann ihr ein Darlehen gewährt habe: Er sei damals großzügig gewesen, weil er sich das habe leisten können. Sie bestritt auch den Vortrag des Mannes, die 200.000 EUR seien dafür gedacht gewesen, dass sie nach Fertigstellung Eigentümerin der Wohnung werde - wie bei einem Bauträgermodell. Sie bestritt auch, dass sie zurzeit Vermietungseinkünfte daraus habe. Dass sie im Internet als Ansprechpartnerin zu finden sei, sei nur eine organisatorische Unterstützung ihrer Eltern.
Das AG stellte fest, dass kein Darlehensvertrag zustande gekommen sei. Der Verwendungszweck "Darlehen" allein genüge nicht, denn es fehle am damaligen Rechtsbindungswillen der Frau. Aus der WhatsApp-Korrespondenz sei zu entnehmen, dass der Betrag zum endgültigen Verbleib in Kroatien gedacht war. Die Bezeichnung "Darlehen" diente lediglich der Vermeidung von Schenkungsteuer. Zudem gab es keinen Beweis für die Behauptung des Mannes, die Frau habe Eigentümerin der Wohnung werden sollen. Dazu unterstellte das Gericht, dass der Betrag nicht ohne Gegenleistungsgedanken geflossen war. Die Tatsache, dass sie im Internet als Vermieterin der Wohnung auftrat, belegte zusammen mit der WhatsApp-Korrespondenz, dass die Frau - wenn schon nicht Eigentum - den wirtschaftlichen Nutzen der Ferienwohnung bekommen sollte. Diese gemeinsame Vorstellung sei Geschäftsgrundlage der Überweisung von 200.000 EUR an die (Schwieger-)Eltern gewesen. Beim Austausch über Details der Einrichtung der Wohnung sei immer in der Wir-Form gesprochen worden, es sei daher als gemeinsames Investitionsvorhaben auszulegen.
Mit dem endgültigen Scheitern der Ehe sei die Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung entfallen. Weil die Immobilie erst danach fertiggestellt worden war, hatte der Mann an der Investition nie partizipiert. Daher bekam er nicht die 200.000 EUR zurück, sondern nur die Hälfte. Denn wäre die Ehe nicht gescheitert, hätte der Mann die Früchte seiner Investition nicht allein genossen, sondern gemeinsam mit der Frau.
Hinweis: Die Entscheidung ist übertragbar auf andere Sachverhalte, in denen der Zugewinnausgleich keine Lösung bietet, zum Beispiel wenn bei Gütertrennung größere Geldbeträge zwischen Eheleuten transferiert werden.
Quelle: AG Hamburg, Beschl. v. 10.11.2022 - 277 F 262/20
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 06/2023)