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Zum Thema Familienrecht
- Außergerichtliche Klärung verweigert: Auch wer nicht Vater ist, muss Kosten des Abstammungsverfahrens mittragen
- BVerfG sieht keine Grundrechtsverletzungen: Zweijähriger Umgangsausschluss nach Kindeswohlprüfung im Ordnungsgeldverfahren rechtens
- Neu ab 2023: Notvertretungsrecht von Ehegatten
- Das Notvertretungsrecht erlischt, wenn die vertretene Person wieder fit ist, oder spätestens nach sechs Monaten. Diese Frist startet mit der ärztlichen Bescheinigung der Einwilligungsunfähigkeit und beginnt nach lichten Momenten (z.B. bei Demenz) nicht erneut. Allerdings kann die Frist durch eine neue Krankheit (z.B. zuerst Verkehrsunfall, dann Schlaganfall) wieder neu beginnen bzw. sich verlängern.
- Der Ehegatte kann die Vertretung auch ablehnen. In solchen Fällen wird dann ein Betreuungsverfahren eingeleitet.
- Wenn es eine Vorsorgevollmacht oder gar eine gerichtlich angeordnete Betreuung für die Gesundheitsfürsorge gibt, scheidet das Ehegattenvertretungsrecht aus.
- Das Vertretungsrecht umfasst nur Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe sowie damit in Zusammenhang stehende Verträge und die Geltendmachung von Rechten - zum Beispiel bei Versicherern. Ärzte haben keine Schweigepflicht gegenüber dem Ehegatten (Apotheker und andere Gesundheitsberufe sind im Gesetz nicht genannt).
- Das Notvertretungsrecht räumt keine Kontovollmacht ein, so dass ohne eine vorher explizit erteilte Vollmacht oder ohne eine bereits erfolgte Errichtung eines gemeinsamen Kontos keine Rechnungen beglichen werden können.
- Privatschule als Mehrbedarf: Wer mit der Schulwahl einverstanden ist, muss auch mitbezahlen
- Unanfechtbarer Beweisbeschluss: Angeordnetes Gutachten kann erst mit Rechtsmitteln in Folgeinstanz angefochten werden
Wenn gerichtlich festgestellt werden muss, von welchem Vater ein Kind abstammt, entstehen oft erhebliche Kosten durch die Begutachtung aller Beteiligten (Mutter, Kind und die möglichen Väter). Im Folgenden war das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) mit der Frage betraut worden, wer diese Kosten tragen muss, wenn am Ende keine Vaterschaft feststellbar ist.
Es ist jedenfalls nicht das Kind, selbst wenn es formal den Antrag gestellt und später zurückgenommen hat. Das ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Denn dieses kennt zwar die Vorschrift (§ 81 Abs. 3 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), dass einem minderjährigen Beteiligten keine Kosten auferlegt werden können - diese bezieht sich aber nur auf Kindschaftssachen, nicht auf Abstammungssachen. Dennoch sei von einer Kostenlast für Kinder auch in anderen familiengerichtlichen Verfahren nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen, urteilte das OLG. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten seines Abstammungsverfahrens sei regelmäßig unbillig, da es selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben habe. Das Kind habe einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen Unklarheiten darüber, wer sein Vater ist - und ergreifen weder die Mutter noch der potentielle Vater die Initiative, die Vaterschaft außergerichtlich zu klären -, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung seiner Abstammung einzuleiten. Somit entspreche es nicht der Billigkeit, das Kind mit den daraus entstehenden Kosten zu belasten.
Übrig blieb die Frage, ob auch ein Mann, der zwar als Erzeuger in Betracht kam, aber letztlich nicht als Vater festgestellt wurde, mit Kosten belastet werden darf. So war es in diesem Fall. Der Mann hatte im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht (AG) eingeräumt, innerhalb ihrer Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter gehabt zu haben. Er kam deshalb als Vater des Kindes durchaus in Betracht. Nachdem die Vaterschaft durch das vom AG eingeholte Sachverständigengutachten "eindeutig ausgeschlossen werden" konnte, hatte das antragstellende Kind seinen Antrag zurückgenommen.
Warum der Mann in Augen des OLG dennoch an den Kosten zu beteiligen war? Ganz einfach: Weil er zu einer außergerichtlichen Untersuchung der Abstammung nicht bereit gewesen war. Die Kindesmutter war an den Kosten des Verfahrens schon deshalb zu beteiligen, weil ihr - wie das Ergebnis des Abstammungsgutachtens zeigt - bewusst gewesen sein muss, dass nicht allein der Antragsgegner als Vater des Kindes in Betracht komme. Damit hatten beide beteiligten Erwachsenen zur Unklarheit der Vaterschaft beigetragen. Daher entspricht es nach erfolgloser Vaterschaftsfeststellung regelmäßig der Billigkeit, die Gerichtskosten zwischen ihnen aufzuteilen - beide mussten ihre Anwälte selbst bezahlen.
Hinweis: Ein privat außergerichlich eingeholter Vaterschaftstest kostet nur einen Bruchteil und kann die Fakten klären, bevor man ein gerichtliches Abstammungsverfahren einleitet. Es ist allerdings verboten, diesen Test heimlich durchzuführen, indem man sich zum Beispiel die DNS vom Kind oder vom möglichen Erzeuger verschafft. Das Gericht kann die Begutachtung auch gegen den Willen Beteiligter anordnen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 10.11.2022 - 10 WF 45/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Sebstverständlich sollten gerichtliche Entscheidungen Verlässlichkeit geben. Dennoch gibt es Fälle, deren Umstände neu bewertet werden müssen, sobald sich besonders beim Verdacht der Kindeswohlgefährung neue Anhaltspunkte auftun. Was hier zuerst im Interesse eines Kindesvaters in Form eines titulierten Umgangs positiv bewertet, aber nach Auftauchen neuer Verdachtsmomente erst durch das Familiengericht des Amtsgerichts Lüdenscheid (FamG) und dann durch das Oberlandesgericht Hamm (OLG) revidiert wurde, trug der Mann schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor. Zu Recht? Lesen Sie selbst.
Ein Vater hatte lange um Umgang mit seinem Kind gekämpft und im Mai 2020 wöchentlichen begleiteten Umgang erreicht. Die Mutter wirkte hieran jedoch erneut nicht mit, so dass die meisten der Termine ausfielen. Der Vater beantragte daher Zwangsvollstreckung und Ordnungsgeld gegen die Mutter. Im Laufe des Zwangsmittelverfahrens glaubte das FamG aber den Behauptungen der Mutter, dass es nach den wenigen Vater-Sohn-Kontakten immer zu Verhaltensauffälligkeiten des Kindes (Einnässen) gekommen war und dass das Kind den weiteren Umgang verbal ablehnte.
Es wurde daher ein neues Umgangsverfahren eingeleitet, in dem ein Sachverständiger tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung durch den Umgang feststellte. Daraufhin schloss das OLG im Dezember 2020 den Umgang für zwei Jahre komplett aus. Hiergegen wandte der Vater sich an das BVerfG - allerdings erfolglos.
Normalerweise findet im Vollstreckungs- und Ordnungsmittelverfahren keine Kindeswohlprüfung mehr statt, weil die Rechtskraft eines Beschlusses sonst durchbrochen würde. Wenn der titulierte Umgang aber offenkundig mit einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes (im Sinne des § 1666 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) verbunden wäre, muss die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung eingestellt werden, in einem neuen Verfahren das Kindeswohl geprüft und erneut über den Umgang entschieden werden. Das FamG und das OLG hatten das korrekt gehandhabt, weshalb das BVerfG keine Grundrechtsverletzung des Vaters sah.
Hinweis: Wie die meisten Verfassungsbeschwerden scheiterte auch diese daran, dass die Grundrechtsverletzung des Vaters nicht ausreichend begründet worden war. Das BVerfG prüft nicht selbst das Kindeswohl, sondern nur, ob Verfahrensfehler der Vorinstanzen zu Grundrechtsverletzungen geführt haben.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 10.11.2022 - 1 BvR 1496/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Eheleute können sich im Notfall gegenseitig vertreten, bekommen medizinische Auskünfte und haben Entscheidungsrechte? Diese Thesen gehörten zu den typischen Irrtümern im Familienrecht - bislang! Denn nun, mit dem 01.01.2023, hat das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ein Ehegattennotvertretungsrecht mit einer Maximaldauer von sechs Monaten eingeführt.
Dieses Notvertretungsrecht beginnt, wenn ein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit handlungsunfähig wird und ein Arzt das bescheinigt. Die Regelung gilt für Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner, die nicht getrennt voneinander leben. Dabei ist eine Heimunterbringung kein Getrenntleben, sofern sich keiner von beiden mit Trennungswillen von der Ehe abwendet.
Der Ehegatte des oder der Betroffenen muss dem Arzt unterschreiben, dass er nicht getrennt lebt, nichts von vorrangiger Vorsorgevollmacht, Betreuung und dergleichen weiß und die Sechsmonatsfrist nicht bereits durch eine andere Bescheinigung eines Arztes begonnen hat.
§ 1358 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 Bürgerliches Gesetzbuch zählt abschließend die Angelegenheiten der Gesundheitssorge auf, in denen eine Vertretung durch Ehegatten erfolgen kann. Das sind typische Entscheidungen und Maßnahmen während einer sogenannten Akutphase. Er erfasst neben den der Gesundheitssorge im engeren Sinne dienenden Maßnahmen auch Rechtsgeschäfte, die im engen Zusammenhang mit der Gesundheitssorge stehen und häufig zügig nach dem Beginn der Handlungsunfähigkeit anfallen. Aus dem Gesetzeszweck und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich eine Beschränkung auf unaufschiebbare Maßnahmen und auf das, was medizinisch notwendig ist (z.B. keine Schönheits-OP).
Folgende Einschränkungen gilt es jedoch zu beachten:
Hinweis: Der Rat, lieber eine individuelle Vorsorgevollmacht zu errichten, bleibt aktuell. Denn das Ehegattenvertretungsrecht ist sowohl inhaltlich als auch zeitlich beschränkt.
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Dem Bedarf von Kindern nach der Düsseldorfer Tabelle liegt gedanklich ein Warenkorb zugrunde, der das enthält, was Kinder in den durch das Einkommen der Eltern vorgegebenen Verhältnissen typischerweise benötigen. Weil dieser Korb individuell gefüllt ist - das eine Kind hat teure Hobbies, das andere besondere Ernährungsbedürfnisse -, ist es nicht immer leicht zu bestimmen, was in den Tabellenbeträgen als Elementarbedarf enthalten und was als Sonder- und Mehrbedarf anzusehen ist. Diese Frage war im Folgenden ein Fall für das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG).
Konkret handelte es sich hier um das Schulgeld für einen Grundschüler. Der Vater zahlte an die Mutter Unterhalt nach dem damaligen (2019) Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle. Die Eltern hatten sich gemeinsam für eine Privatschule entschieden und zusammen den Schulvertrag unterschrieben. Die Kosten beliefen sich auf rund 4.000 EUR Schulgeld und knapp 800 EUR Essensgeld pro Jahr. Zuerst verklagte die Mutter den Vater auf die Hälfte der Kosten, dann wollte sie eine höhere Quote. Der Vater wollte sich am Schulgeld gar nicht beteiligen. Dass er den Schulvertrag unterschrieben habe, bedeute nicht, dass er Kosten tragen müsse. Die Privatschule sei nicht notwendig. Mit diesem Argument kam er weder beim Amtsgericht noch beim OLG zum Ziel.
Die Frage der Notwendigkeit des Besuchs einer Privatschule stelle sich dem OLG entgegen der Auffassung des Vaters nicht. Denn mit der Unterzeichnung des Schulvertrags habe dieser dem Besuch bereits vorbehaltlos zugestimmt. Der mit dieser Grundentscheidung einverstandene Vater müsse folglich dann auch die Rechtsfolgen tragen. Das Essensgeld sei allerdings kein Mehrbedarf, denn die Verpflegung der Kinder sei im Elementarwarenkorb zweifelsohne enthalten. Das Schulgeld selbst sei aber durchaus ein Mehrbedarf, und an einem solchen muss sich auch der Elternteil beteiligen, bei dem das Kind wohnt - allerdings nicht zur Hälfte, sondern im Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte der Eltern. Daraus ergaben sich hier rechnerisch 74 % für den Vater.
Hinweis: Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt nicht oder nicht vollständig erfasst werden kann, aber kalkulierbar ist. Im Gegensatz zum Mehrbedarf kann Sonderbedarf nur wegen eines unregelmäßigen, außergewöhnlich hohen Bedarfs verlangt werden. Sonderbedarf ist ein unregelmäßig auftretender, außergewöhnlich hoher Bedarf, der nicht auf Dauer besteht und nicht vorhersehbar war, so dass hierfür keine Rücklagen gebildet werden konnten. Wie bei Mehrbedarf haften die Eltern auch für den Sonderbedarf anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 08.11.2022 - 13 UF 24/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Um in Kindeswohlfragen entscheiden zu können, lassen Familienrichter sich häufig von einem Sachverständigengutachten leiten. Die Eltern, die Gegenstand der Begutachtung sein sollen, sind damit nicht immer einverstanden. Ob ein Elternteil zur Mitarbeit gezwungen ist oder bereits die Gutachtenerstellung verhindern kann, war im folgenden Fall vom Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) zu beantworten.
Eine Mutter, die unbegleiteten Umgang mit ihrem Kind haben wollte, legte Beschwerde gegen den Beweisbeschluss ein, mit dem ein Sachverständiger beauftragt worden war. Sie meinte, das Gutachten sei nicht erforderlich, weil der Richter im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht selbst alle notwendigen Erkenntnisse gewinnen könne. Überdies gefielen ihr weder die Ausbildung des Sachverständigen noch die an ihn gerichteten Fragestellungen.
Die Beschwerde wurde vom OLG als unzulässig zurückgewiesen. In der laufenden Instanz sind Beweisbeschlüsse unanfechtbar. Das Gericht wies darauf hin, dass die Mutter weder eine Untersuchung ihrer Person dulden noch sonst wie mitwirken müsse. Sie sei auch nicht verpflichtet, Schweigepflichtsentbindungen zu erteilen. Es stehe ihr frei, über das Gericht dem Sachverständigen die Informationen zukommen zu lassen, die sie ihm geben wolle. Der Gutachter müsse dann sehen, zu welchen Erkenntnissen er allein aufgrund des Akteninhalts und eventuell ergänzender Informationen des Jugendamts kommen könne. Das Familiengericht müsse dann auf dieser Basis entscheiden. Deshalb verletzte der Beweisbeschluss die Mutter hier nicht in ihren Rechten. Denn nach Abschluss der ersten Instanz habe die Mutter Rechtsmittel und könne in zweiter Instanz die auf Basis der Feststellungen des Sachverständigen ergangene Entscheidung anfechten und inhaltlich kritisieren.
Hinweis: Es gibt seltene Fälle, in denen Beweisbeschlüsse isoliert anfechtbar sind - nämlich wenn die Ausführung des Beweisbeschlusses eine unmittelbare und auf andere zumutbare Weise nicht abwendbare Verletzung von Grundrechten zur Folge hat, die später nicht oder nicht vollständig behoben werden kann. Bei Begutachtungen ist der Fall nicht denkbar, weil eine Mitwirkungspflicht nicht Teil des Beschlusses ist.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 21.11.2022 - 13 WF 184/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 02/2023)