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Zum Thema Familienrecht
- Inobhutnahme: Lebensbedrohliche Misshandlung eines Säuglings unter elterlicher Obhut
- Kindergeld: Wechselmodell bringt anteiliges Elterngeld
- Selbstbestimmung im Umgangsrecht: Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass verbindliche Umgangsregelung kein Muss ist
- In einem Fall sagte der Sohn, dass er zwar Interesse an seinem Vater habe, aber selbst entscheiden wolle, wann er ihn sehe. Also traf das mit der Sache befasste Familiengericht keine Entscheidung, um das Selbstbestimmungsrecht des Kindes zu achten.
- Im zweiten Fall hatte eine Mutter seit Jahren keinen Kontakt zu ihrem Kind, das beim Vater lebte, und beantragte mehrfach eine Umgangsregelung. Doch das Familiengericht traf keine, da die Mutter eine längerfristige professionelle Begleitung der Treffen ablehnte. Das Gericht war überzeugt, dass ohne eine entsprechende Umgangsbegleitung eine Kindeswohlgefährdung drohe.
- Staatliches Ordnungsinteresse: Auch bei nicht geklärter Identität eines Elternteils muss ein Kind einen Namen haben
- Umgangsrecht: Näherungsverbot gegen den Stiefvater ist selbst durch Mutter nicht anfechtbar
War ein wenige Wochen alter Säugling unter elterlicher Obhut, wo er schwerste Verletzungen erleidet, muss davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Elternteil dafür verantwortlich ist. Was aber, wenn die Umstände nicht näher aufgeklärt werden können? Darf das Jugendamt dennoch die Erziehungsrechte übernehmen? Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) war gefragt.
Die Mutter des Babys war allein sorgeberechtigt. Am 14.06.2023 stellten die Eltern das Baby zur Untersuchung "U3" der Kinderärztin vor. Diese stellte Auffälligkeiten fest und wies das Baby wegen des Verdachts auf eine Infektion in die Kinderklinik ein. Dort wurde ein lebensbedrohlicher Zustand nach Reihenfraktur von insgesamt neun Rippen festgestellt. Die Klinik informierte das Jugendamt, da diese Verletzungen nur durch eine sehr massive Gewaltanwendung hervorgerufen worden sein konnten. Die Eltern gaben ein mögliches Unfallereignis an, was aber nicht glaubhaft erschien, so dass das Kind in Obhut genommen wurde. Ein Strafverfahren wurde durchgeführt, und das rechtsmedizinische Gutachten stützte die Ansicht des Krankenhauses. Allerdings konnten die Eltern nicht strafrechtlich verurteilt werden, da nicht feststellbar war, ob Vater oder Mutter oder beide gemeinschaftlich gehandelt haben. Dennoch wurden der Kindesmutter die Erziehungsrechte umfassend entzogen und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Dagegen legte die Mutter Beschwerde ein.
Sie scheiterte vor dem OLG. Denn dieses teilte die Ansicht, dass in den Fällen, in denen Eltern nicht in der Lage seien, Gefahren vom Kind abzuwenden, ihnen die elterliche Sorge ganz oder teilweise entzogen werden müsse. Eine Kindeswohlgefährdung setze dabei eine gegenwärtige, in solchem Maß vorhandene Gefahr voraus, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes voraussehen ließe. Hier ist das Kind bereits massiv geschädigt worden, und bei dem Tathergang muss davon ausgegangen werden, dass sich die Gefahr durch die Eltern jederzeit wieder realisieren kann. Davor muss das Kind geschützt werden.
Hinweis: Das Kindeswohl steht über allem, auch über dem Erziehungsrecht der Eltern. Es wäre nicht auszudenken, dass das Kind den Eltern zurückgegeben wird und es in der Folge zu weiteren Verletzungen oder gar zum Tod des Kindes kommt.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 16.07.2025 - 4 UF 213/24
| zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2025)
Kindergeld wird immer von nur einem Elternteil bezogen. Solange die Eltern zusammenleben, ist das kein Problem, das Kindergeld fließt dann in den gemeinsamen Haushalt. Im Fall der Trennung muss dann aber auch das Kindergeld aufgeteilt werden. Wie es sich dabei mit dem Anspruch des Elternteils verhält, der nicht das Kindergeld bezieht, klärte das Oberlandesgericht Celle (OLG).
Die Eltern dreier Kinder trennten sich. Die Eltern erzogen zwei der Kinder im Wechselmodell. Das dritte Kind blieb ganz bei der Mutter. Die Mutter erhielt das Kindergeld für alle drei gemeinsamen Kinder. Die Eltern forderten sich im Trennungsverfahren nicht nur gegenseitig zur Auskunft über ihre Einkünfte auf; der Vater forderte zudem noch ein Viertel des bezogenen Kindergelds der Mutter.
Das sah das OLG ebenso und verfügte, dass die Mutter dem Vater das Kindergeld anteilig abgeben müsse. Denn im Wechselmodell kann der das Kindergeld nicht beziehende Elternteil ein Viertel des Kindergeldes fordern - auch ohne Vortrag zum Unterhaltsanspruch des Kindes. Jeder Elternteil schulde seinem Kind schließlich Unterhalt. Bezieht ein Elternteil kein Kindergeld, werde der Unterhaltsanspruch entsprechend gemindert. Es kann grundsätzlich kein Kindergeldanteil isoliert gefordert werden. Im Wechselmodell aber kann das anteilige Kindergeld als Ausgleichsanspruch geltend gemacht werden.
Hinweis: Denken Sie an diese Besonderheit, wenn Sie die Kinder im Wechselmodell erziehen, und fordern Sie Ihr anteiliges Kindergeld. Das Kindergeld beträgt noch bis zum 31.12.2025 monatlich 255 EUR pro Kind, ab dem 01.01.2026 monatlich 259 EUR pro Kind - Geld, das im Übrigen für die Kindererziehung eingesetzt werden soll.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.08.2025 - 17 UF 52/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Eltern, die den Umgang mit ihren Kindern gerichtlich regeln lassen wollen, können sich grundsätzlich auf Art. 6 Grundgesetz (GG - Schutz von Ehe und Familie) berufen. Zu beachten ist hierbei das Wort "grundsätzlich" - denn trotz des Grundrechts müssen die Fachgerichte hier nicht immer eine Entscheidung treffen. So nahm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerden zweier Eltern nicht an.
Eltern haben das Recht und die Pflicht, Kontakt zu ihrem Kind zu pflegen. Können sich getrennt lebende Eltern nicht einigen, trifft das Familiengericht eine entsprechende Umgangsregelung, mit der ein konkreter Umgang durchgeführt oder gar der Umgang ausgeschlossen werden soll. Doch es gibt auch Ausnahmefälle.
In beiden Fällen stützte das BVerfG die Entscheidungen der Gerichte. Es forderte aber auch, dass die Fachgerichte bei einem länger andauernden oder unbefristeten Umgangsausschluss die drohenden kindlichen Schäden konkret benennen müssen - sonst sei der Eingriff in Art. 6 GG zu groß.
Hinweis: Über allem steht das Kindeswohl. Schadet der Umgang dem Kind oder ist das Kind schon reif genug, um zu sagen "Ich will über den Umgang bestimmen", kann das Gericht von einer Umgangsregelung absehen. Als Elternteil, der einen Umgang gerichtlich regeln will, muss man also genau darlegen, warum der Umgang dem Kindeswohl dienlich sein kann, und darauf achten, dass das Gericht sauber und konkret benennt, warum es das Kindeswohl gefährdet sieht.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 08.10.2025 - 1 BvR 316/24 und 1 BvR 810/25
| zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2025)
Wie selbstverständlich tragen wir alle unseren Nachnamen, ob den ursprünglichen Familiennamen oder den freiwillig angenommenen Namen nach einer Heirat. Aber was ist, wenn der Name des namensgebenden Elternteils nicht bekannt bzw. nicht nachgewiesen ist - welchen Namen trägt dann das Kind?
Die Eltern des Kindes, das im August 2022 geboren wurde, sind afghanische Staatsangehörige. Nach der Geburt ihres Kindes wählten die Eltern für die Namensführung des Kindes das deutsche Recht und bestimmten den Namen des Vaters zum Geburtsnamen des Kindes. Sowohl Identität des Vaters als auch die Eheschließung der Eltern konnten nicht nachgewiesen werden. Davon ungeachtet hatte der Vater die Vaterschaft jedoch anerkannt, und das bereits vor der Geburt. Dennoch erfolgte die Eintragung des Kindes im Geburtenregister zunächst mit dem Namen der Mutter. Das Standesamt trug das Kind dann mit dem Namen des Vaters ein - mit dem Zusatz "Namensführung nicht nachgewiesen". Die Standesamtsaufsicht legte dagegen Beschwerde ein.
Die Beschwerde wurde durch den Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Eltern dürfen wählen, welchen Namen das Kind tragen und wie es im Personenstandsregister eingetragen werden soll. Ist der gewählte Name des Elternteils nicht nachgewiesen, ist im Geburtenregister als gewählter Geburtsname des Kindes der vom Elternteil tatsächlich geführte Name mit dem einschränkenden Zusatz "Namensführung nicht nachgewiesen" zu beurkunden. Denn nur so kann dem staatlichen Ordnungsinteresse an der lückenlosen Registrierung feststehender Personenstandsfälle Rechnung getragen werden.
Hinweis: Wir leben in einer Zeit, in der leider viele Kriege toben. Viele Menschen müssen ihre Heimat schnell und oft auch ohne Papiere verlassen. Namen können dann nicht immer nachgewiesen werden, und trotzdem müssen die Kinder erfasst werden. Da ist es nur richtig und auch pragmatisch, wenn die "Nichtnachweisbarkeit" erfasst wird. Dennoch sollten betroffene Eltern versuchen, so viel "Namensbelege" wie möglich vorzulegen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 01.10.2025 - XII ZB 503/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Wenn gegen den Stiefvater eines Kindes ein Näherungsverbot ausgesprochen wird, obwohl ein Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, kann die Ehefrau und Mutter des Kindes ein Beschwerdeverfahren dagegen einlegen - oder etwa nicht? Nein, sagt das Oberlandesgericht Rostock (OLG), und legt eine eindeutige Begründung seiner Entscheidung vor.
Die alleinsorgeberechtigte Mutter hatte drei Kinder, unter anderem das betreffende im Mai 2014 geborene Mädchen. Zum leiblichen Vater bestand kein Kontakt. Bis zu seiner Wegweisung durch die Polizei, also einer Wohnungsverweisung kombiniert mit einem Rückkehr- und Betretungsverbot, im Juli 2024 wohnte dort auch der Ehemann der Mutter, somit der Stiefvater der Tochter. Ebenso wurde zu dieser Zeit das mittlerweile knapp zehn Jahre alte Mädchen durch das Jugendamt in Obhut genommen. Das Amt regte an, kindesschutzrechtliche Maßnahmen wie ein Näherungsverbot zu prüfen, da der Verdacht eines schweren sexuellen Missbrauchs durch den Stiefvater vorliege. Das Mädchen wies schwere Verletzungen im Genitalbereich auf, als sie vom Stiefvater ins Krankenhaus gebracht wurde, wo es mehrere Tage bleiben musste. Die Mutter trat dem damit entgegen, dass die Verletzungen durch einen Unfall, einen Sturz auf eine Leitersprosse, entstanden seien. Das einstweilige Näherungsverbot gegen den Stiefvater wurde schließlich im August verfügt, die Mutter legte dagegen Beschwerde ein. Diese wurde vom OLG zurückgewiesen.
Zum einen sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar. Eine Ausnahme hiervon bestehe nur dann, wenn "über die elterliche Sorge für ein Kind" entschieden werde. Dies lag hier nicht vor. Zum anderen war entscheidend, dass hier keine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung der Mutter vorlag. Und wessen Rechte durch eine getroffene Entscheidung nicht beeinträchtigt wurden, kann auch keine Beschwerde dagegen einlegen.
Hinweis: Die Entscheidung ist absolut nachvollziehbar und richtig. Natürlich sollen Familien nach Möglichkeit zusammengeführt werden - hier aber ging es um das Kindeswohl. Es muss sicher und abschließend geklärt sein, dass vom Stiefvater keine Gefahr ausgeht, bevor man ihn wieder zu dem Mädchen lässt. Und genau das Kindeswohl muss in solchen Prozessen auch immer das Hauptargument sein.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.2025 - 10 UF 84/25
| zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2025)
